Oberstes Gericht befasst sich mit Abtreibungsgesetz

Kippt das Grundsatzurteil von 1973?

Die US-Lebensschützer wähnen sich ihrem Ziel nahe. Der Supreme Court beschäftigt sich mit einem Gesetz des Bundesstaates Mississippi, das darauf abzielt, das Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" von 1973 auszuhebeln.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Demonstrant mit einem Schild mit der Aufschrift "Supreme Farce" vor dem Supreme Court in den USA / © Johnny Silvercloud (shutterstock)
Demonstrant mit einem Schild mit der Aufschrift "Supreme Farce" vor dem Supreme Court in den USA / © Johnny Silvercloud ( shutterstock )

Die einen haben auf diesen Tag gehofft; die anderen fürchteten ihn, seit Donald Trump am obersten Gerichtshof der USA mit der Berufung dreier Verfassungsrichter eine konservative 6:3-Mehrheit geschaffen hatte. Nun jedenfalls ist es soweit. Der Supreme Court will sich in seiner nächsten Sitzungsperiode mit einem Rechtsstreit befassen, der weitreichende Folgen für die Abtreibungsgesetze in den USA haben könnte.

Die Richter greifen ein 2018 beschlossenes Gesetz des Bundesstaates Mississippi auf, der Abtreibungen ab der 15. Schwangerschaftswoche mit wenigen, strikt definierten medizinischen Ausnahmen verbietet.

"Roe gegen Wade" schloss solche Restriktionen vor der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs, also um die 23. und 24. Woche, ausdrücklich aus.

Verfassungsverstoß erkannt

Dagegen geklagt hatte die "Jackson Women's Health Organization" als Betreiberin der einzigen Klinik in dem Südstaat, die noch Schwangerschaftsabbrüche legal durchführen darf. Aus Sicht der Organisationen, die den Status quo verteidigen, ist die Annahme des Falls durch den Supreme Court eine böse Überraschung.

Dieser schien aus juristischer Sicht so klar gelagert gewesen zu sein, dass Bundesrichter Carlton W. Reeves darin in seiner Einstweiligen Verfügung "einen klaren Verfassungsverstoß" erkannte.

Die Gesetzgeber versuchten damit, "eine jahrzehntelange, von nationalen Lobbygruppen genährte Kampagne vor den Supreme Court zu bringen", spekulierte der Richter offen über die Absicht.

Das unabhängige Guttmacher Institute hat zwischen Januar und April in den Teilstaaten die Rekordzahl von 536 Gesetzen ausgemacht, die darauf abzielen, Abtreibung einzuschränken. 61 davon erhielten in 13 Staaten Gesetzeskraft. In den zurückliegenden Jahren beschlossen republikanisch geführte Staaten darüber hinaus sogenannte Herzschlag-Gesetze, wie jenes in Mississippi, die erwartungsgemäß auf Anfechtungen stoßen.

Lebensschützer freuen sich

Die Lebensschützerin Jeanne Mancini freut sich, dass die Strategie aufzugehen scheint. "Die Staaten sollten das Recht erhalten, ihre Gesetze in Einklang mit der öffentlichen Meinung zu formulieren", sagte die Organisatorin des jährlichen "March for Life". Das Thema verdiene "menschliche Anteilnahme statt der extremen Politik, die Roe auferlegt hat".

Ein Drei-Mitglieder-Panel des Fünften Berufungsgerichts in New Orleans bestätigte das Urteil von Bundesrichter Reeves. Ein Recht von Frauen, sich für eine Abtreibung vor der Lebensfähigkeit des Fötus zu entscheiden, sei seit Roe gegen Wade in einer ununterbrochenen Linie bestätigt worden, stellte das Gericht fest - was bei Pro-Choice-Gruppen die Frage aufwirft, warum der Supreme Court ausgerechnet jetzt einen weitgehend unstrittigen Fall aufgreift.

"Alle Alarmglocken läuten laut", sagt Nancy Northup vom "Center for Reproductive Rights". Sie fürchtet, die drei von Trump bekannten Richter Amy Coney Barrett, Brett Kavanaugh und Neil Gorsuch suchten nur nach einem Anlass, das Grundsatzurteil zu kippen. "Die Konsequenzen einer Überholung von Roe gegen Wade wären verheerend", meint Northup.

Die Präsidentin der "Susan B. Anthony List", Marjorie Dannenfelser, wertet es genau entgegengesetzt. Die Lebensschützerin sieht in der Annahme des Falls "eine einmalige Gelegenheit, um das Recht der Bundesstaaten anzuerkennen, das Leben ungeborener Kinder zu schützen."

Was sagt der Supreme Court?

Genau das wäre die Konsequenz einer Aufweichung der Standards von "Roe gegen Wade". Wie immer das Gericht den neuen Rahmen steckt, könnten die Gesetzgeber darin neue Einschränkungen formulieren, die dann vor nachgeordneten Instanzen Bestand hätten. Dabei ist längst nicht gesagt, wie und was genau der Supreme Court 2022 entscheidet.

Falls es das Grundsatzurteil modifiziert, haben die konservativ regierten Bundesstaaten bereits Hunderte Gesetze im Anschlag, die schnell zu einer Änderung der Rechtspraxis führen könnte.

"Das ist das beste Gericht, das wir je hatten", sagt Mike Gonidakis von der Gruppe "Ohio Right to Life" zu der Nachricht, die sich zu Wochenbeginn wie ein Lauffeuer verbreitete. "Wir hoffen und beten, dass dieser Fall den Durchbruch bringt."


Quelle:
KNA
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