Gericht stärkt Rechtssicherheit beim Zugang zu PID

Kein Beurteilungsspielraum für Ethikkommissionen

Ethikkommissionen entscheiden über den Zugang zur Präimplantationsdiagnostik. Aber haben sie dabei Beurteilungsspielraum? Nein, wurde jetzt höchstrichterlich entschieden. Die Richter ließen sich mit ihrer Beurteilung Zeit.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Teströhrchen im Labor / © RossHelen (shutterstock)

Für Eltern, die die Sorge umtreibt, ihrem Kind eine schwere Krankheit weiterzuvererben, dürfte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine gute Nachricht sein und mehr Rechtssicherheit bringen. Am Donnerstag urteilten die Richter in Leipzig erstmals über den streng beschränkten Zugang zur Präimplantationsdiagnostik.

Solche Gentests an Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt wurden, sind nur möglich, wenn zuvor eine der bundesweit fünf PID-Ethikkommissionen feststellt, dass ein hohes Risiko für eine schwerwiegende Erbkrankheit oder Tot- oder Fehlgeburten vorliegt.

Kein Beurteilungsspielraum

Die PID-Ethikkommissionen haben dabei, so das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, keinen Beurteilungsspielraum - ihre Entscheidung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit. Das bedeutet: Eltern, denen der Zugang zu einer PID verwehrt wurde, haben damit das Recht, diese Entscheidung vor einem Verwaltungsgericht anzufechten. Das Verwaltungsgericht München hatte als Erstinstanz in dem Verfahren 2017 einen Beurteilungsspielraum der Ethikkommissionen gesehen. Bereits die zweite Instanz, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, teilte indes diese Auffassung nicht.

Klägerin in dem Verfahren war eine Frau, deren Zugang zu einer PID von der Bayrischen Ethikkommission 2016 abgelehnt worden war. Ihr Partner, der voraussichtliche Kindsvater, leidet an einer Muskelschwäche und lebt deswegen bereits mit deutlichen Einschränkungen. Das Risiko, diese "multisystemische Krankheit" weiterzuvererben, liegt bei 50 Prozent. Die Leipziger Richter sahen es - anders als die Vorinstanzen - als erwiesen an, dass unter diesen Voraussetzungen die Klägerin gemäß dem Embryonenschutzgesetz einen Anspruch auf die Erteilung einer Zustimmung der PID-Ethikkommission hat. Für ihre Nachkommen bestehe das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit.

Die mündliche Verhandlung vor drei Wochen war um die Frage gekreist, was Kriterien und Maßstäbe sind, nach denen eine Ethikkommission im Sinne des Embryonenschutzgesetzes entscheiden muss, ob jemand Zugang zur PID-Diagnostik erhält. Kurz: Ab wann ist in dieser Frage eine Erbkrankheit als "schwerwiegend" zu bezeichnen? Hier erweiterte das Gericht mit seiner Entscheidung nun die Kriterien, nach denen im Einzelfall eine Erbkrankheit als schwerwiegend einzustufen ist und damit ein Anrecht auf den Zugang zu einer PID besteht.

Der Dritte Senat hält fest: Zwar wird an einer Stelle im Embryonenschutzgesetz die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne als schwerwiegende Erbkrankheit eingestuft. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass bei der Frage nach einer PID-Zulassung diese Krankheit als Maßstab genommen werden müsse - der voraussichtliche Kindsvater leidet an einer leichteren Form dieser Erkrankung.

Was ist eine "schwerwiegende" Erbkrankheit?

Ein Zweites: Wenn fraglich sei, ob eine Erbkrankheit bereits wegen der genetischen Disposition eines Elternteils hinreichend schwer wiege, seien auch weitere mit der Disposition in Zusammenhang stehende Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu kann laut Gericht zählen, dass die Eltern schon ein Kind mit einer schweren Erbkrankheit haben, oder die Frau nach einer Pränataldiagnostik und ärztlichen Beratung einen Schwangerschaftsabbruch gemäß Paragraf 218a hat vornehmen lassen, oder dass ein Elternteil mit der genetischen Disposition selbst an der Krankheit leidet.

In der mündlichen Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht hielten alle Beteiligten es für problematisch, dass im Embryonenschutzgesetz nicht konkreter formuliert ist, was eine "schwerwiegende" Erbkrankheit ist. Hintergrund dafür ist, dass der Gesetzgeber ganz bewusst darauf verzichtet hat, einen entsprechenden Krankheits-Katalog zu formulieren. Zum einen, um nicht Menschen mit bestimmten Krankheiten zu diskriminieren. Zum anderen wollte er vor allem eines vermeiden: durch eine positive Liste an Erbkrankheiten, bei denen eine PID erlaubt wäre, eine rechtliche Entscheidung über den Wert von Leben zu treffen und damit faktisch eine Selektion.

Wohl aufgrund dieser Gemengelage verzichtete das Bundesverwaltungsgericht nun auch darauf, den Gesetzgeber aufzufordern, die Kriterien für die Einstufung von Erbkrankheiten als "schwerwiegend" in der PID-Frage zu präzisieren. Es bleibt dabei:

Erbkrankheiten gelten als schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden.


Quelle:
KNA