Über die Folgen von immensem Reichtum

Milliarden und die Frage nach der Moral

Vor 2.000 Jahren ging ein reicher Mann traurig von Jesus weg, als er dessen Anforderungen für das Reich Gottes gehört hatte. Heute laufen Wertpapierhändler davon, wenn Reichtum kritisch hinterfragt wird.

Autor/in:
Barbara Just
Symbolbild Reichtum / © mongione (shutterstock)

Gut 130 Milliarden Dollar schwer ist Jeff Bezos. Der Gründer und CEO von Amazon ist laut dem US-Magazin "Forbes" der reichste Mensch auf der Welt. Das war vor zwei Tagen der letzte Stand, wie Ingrid Robeyns sagt, vielleicht sind wieder ein paar Dollar mehr dazugekommen. Die gebürtige Belgierin hat seit 2014 den Lehrstuhl für Ethik an der niederländischen Universität Utrecht inne. Am Dienstagabend ist sie in München zu Gast, um auf Einladung der Katholischen Akademie in Bayern und der Jesuiten-Hochschule für Philosophie zu klären, ob es verwerflich sei, reich zu sein.

Der 47-Jährigen wurde auch das bis Juli 2022 laufende EU-geförderte "Fair Limits Project" übertragen. Es untersucht, inwiefern es moralisch gebotene Obergrenzen geben und wie viele Ressourcen eine Person oder eine Gruppe besitzen sollte. "Ich bin nicht gegen Kapitalismus", betont Robeyns, aber es müsse erlaubt sein, die Frage nach Moral und sozialer Verträglichkeit zu stellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei etwa das Ziel der europäischen Länder gewesen, den Wohlstand und die Chancengleichheit für alle zu erhöhen.

Der Motor der Wirtschaft?

Seit den 1980er Jahren hätten sich die Dinge aber verändert. Ein unreguliertes Modell des Kapitalismus' habe sich durchgesetzt. Die Spitzensteuersätze sanken, die Erbschaftssteuer wurde in vielen Ländern abgeschafft. Gleichzeitig kümmert sich eine Heerschar von Anwälten darum, das Geld ihrer vermögenden Mandanten dem Fiskus und damit der Gemeinschaft zu entziehen. Auch Donald Trump gehört zu jener Klientel und rühmte sich deshalb, besonders "smart" zu sein.

Eigentlich gebe es nur zwei Standardreaktionen auf Superreiche, weiß Robeyns. Eine ist: "Richtig so! Sicherlich hat derjenige hart gearbeitet und verdient das." Der Rest der Gesellschaft sollte dankbar sein, denn solch erfolgreiche Menschen seien der Motor der Wirtschaft. Die zweite Antwort lautet, niemand verdiene es, so reich zu sein. "Es mag in Ordnung sein, wenn einige etwas mehr verdienen als andere, weil sie härter arbeiten oder mehr Risiken eingehen, aber es gibt Grenzen dafür, wie viel Ungleichheit eine Gesellschaft verträgt."

Die Schere zwischen Reich und Arm

Letzterer Haltung stimmt Robeyns zu, auch wenn sie einige Ungleichheiten für gerechtfertigt hält. Die Wissenschaftlerin will zudem nicht alle Superreichen über einen Kamm scheren. Es gebe Vertreter, die ein einfaches Leben führten und ihrer sozialen Verantwortung nachkämen. Doch sie sagt: Kein Vermögen werde von einer Person allein erwirtschaftet. Es brauche immer viele Menschen, die etwas dazu beitrügen. Manchmal seien auch illegale Wege im Spiel.

Zudem seien Superreiche in der Lage, demokratische Werte zu untergraben, ja Wahlen zu beeinflussen. Die Schere zwischen Reich und Arm werde durch sie zunehmend größer. Vermögenskonzentration ziehe Unsicherheit und Verwundbarkeit der Mittelschicht und der Armen nach sich. Der Sozialstaat werde abgebaut und lasse so einen Nährboden für Sündenböcke entstehen. Am Ende werde der Schrei nach autoritären Führungspersönlichkeiten lauter.

Kapital und Schöpfung

Der Einsatz der Superreichen sei unter anderem beim Klimaschutz gefragt, findet die Ethikerin. Das wäre nur gerecht, denn die Menschen in armen Ländern, die an der Entwicklung wenig Schuld hätten, könnten sich die Ausgaben dafür nicht leisten. Dieser Tage hat Amazon-Chef Bezos wirklich angekündigt, zehn Milliarden Dollar in den Kampf gegen den Klimawandel zu investieren. Seine Mitarbeiter reagierten darauf eher verhalten: Er solle zunächst seine Lieferautos von Diesel auf E-Antrieb umstellen.

Auch Bill Gates engagiert sich für soziale Projekte weltweit. Einer wie der US-Großinvestor Warren Buffett will sogar mehr Steuern zahlen. "Wir müssen darüber reden, dass es nicht nur um die Wirtschaft geht, sondern auch um Politik und insbesondere Moral", fordert Robeyns. Das war einem Wertpapierhändler im Publikum wohl zuviel. Er verlässt demonstrativ den Saal. Zuvor betont er noch: Er habe auch ein wenig Philosophie studiert, sein Vertrauen in die Märkte sei jedoch ungebrochen. Den Anwesenden wirft er vor, die Börse einfach nicht zu verstehen.


Quelle:
KNA
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