Bäume pflanzen für das Weltklima?

Bitte nicht in Afrika

In Afrika soll ein Wald von der vereinten Größe Spaniens und Frankreichs entstehen. Die neue Grüne Lunge des Kontinents könnte sich aber als Fehler entpuppen, warnen lokale Wissenschaftler - für Afrika und das Weltklima.

Autor/in:
Markus Schönherr
Bäume pflanzen / © A3pfamily (shutterstock)

Aktivisten machen es seit Jahren vor, und Geschäftsreisende wollen darin einen Weg gefunden haben, ihre CO2-Bilanz auszugleichen: Bäume pflanzen gegen die Erderwärmung. Auch immer mehr Staats- und Regierungschefs greifen symbolisch zum Spaten - zuletzt war es Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed.

In dem ostafrikanischen Land wurde im Juli ein neuer Weltrekord aufgestellt, als die Bürger mehr als 350 Millionen Setzlinge pflanzten. Jedoch warnen afrikanische Biologen nun vermehrt: Der Hype um den Baum könnte am Kontinent mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.

Unberührte Savanne, endlose Steppe. Welche Landmasse würde sich besser für ein gigantisches Bewaldungsprojekt eignen als Afrika? Dass ein Wald der Superlative in Afrikas Grasland tatsächlich gedeihen könnte, haben auch die Mitglieder der Initiative AFR100 festgestellt.

Hinter grüner Revolution verstecken sich Probleme

Bis 2030 sollen demnach mehr als eine Million Quadratkilometer auf dem Kontinent aufgeforstet werden. Angespornt wurden die Umweltschützer und Regierungen zuletzt von einer Studie, wonach die Erderwärmung ausgebremst werden könnte, würde man eine Fläche so groß wie die USA mit Bäumen eindecken.

Afrika bietet dafür nicht nur den Boden; auch entwicklungspolitisch wäre die Aufforstung auf den ersten Blick von Vorteil. Die südafrikanische politische Zeitschrift "Mail & Guardian" spricht von einer "Win-Win-Situation": Die Geberländer würden Pluspunkte in Sachen Klimapolitik sammeln, während die Initiative Afrikas Regierungen einen "greifbaren finanziellen Glücksfall" verschaffe.

Einzelne Staaten sagten bereits bis zu drei Viertel ihrer Landesfläche für Bewaldungsprojekte zu. Allerdings verstecken sich hinter Afrikas grüner Revolution ungeahnte Probleme, weiß William Bond, Ökologe an der Universität Kapstadt. So sprechen Befürworter des kontinentalen Riesenwaldes von "Wiederaufforstung". "Dabei wissen wir, dass Afrikas Savannen uralt sind - viel älter als die Menschen, die Wälder niederholzten", schreibt Bond nun im Umweltmagazin "Ensia". Er sieht in den Plänen von AFR100 und der noch viel größer angelegten Bewaldungskampagne "Bonn Challenge" eine Kampfansage an Afrikas Ökosysteme.

Umstritten sei auch der Nutzen der Bäume fürs Klima. Denn mit zunehmendem Alter verlieren diese ihre Fähigkeit, CO2 und andere Schadstoffe aufzunehmen. Um ihrem Klimaziel gerecht zu werden, müssten die Bäume deswegen etwa alle zehn Jahre ersetzt werden. Wohin mit den schadstoffbeladenen Baumstämmen? Das sei laut Bond eine entscheidende Frage.

Ebenso wie die, ob nicht ausgerechnet Afrikas ausgetrocknete Grassteppen die wahren Retter des Weltklimas seien könnten. Denn die Gräser und Sträucher lagerten die Schadstoffe im Boden ab. Dort werden sie selbst bei Bränden nicht an die Atmosphäre abgegeben - anders als bei Bäumen. Bereits jetzt ist Afrika für 70 Prozent der weltweiten Flächenbrände verantwortlich.

Standort der neuen Wälder überdenken

Ein erster wichtiger Schritt wäre laut Bond, den Standort der neuen Wälder zu überdenken. "Historische oder degradierte Wälder wiederherzustellen, wäre sinnvoll für die CO2-Speicherung und die biologische Vielfalt. Doch die globalen Ziele wurden festgelegt, ohne dabei natürlich unbewaldete Flächen mit ihren Tieren und Pflanzen zu berücksichtigen", so Bond.

Kritik äußern afrikanische Wissenschaftler auch an westlichen Geldgebern. "Die meisten Waldrichtlinien im südlichen Afrika werden von außen aufgezwungen und ignorieren die Vielfalt afrikanischer Ökosysteme", zitiert der "Mail & Guardian" den Ökologen Coert Geldenhuys von der Uni Stellenbosch. Auch die südafrikanische Botanikerin und Feuerökologin Sally Archibald beklagt eine "Ungleichheit" in der Diskussion. Sponsoren hörten ausschließlich auf europäische Experten, während lokale Stimmen auf taube Ohren stießen.

Der Tipp afrikanischer Experten an die Weltbank, Deutschland und andere Unterstützer von AFR100? "Wer die Zukunft in die Hand nehmen will, statt Baumpflanzungen zu unterstützen, sollte erwägen, Wind-, Solar- und Wasserenergie voranzutreiben", so Bond. Helfen könne man vor allem, indem man Afrika bei seinem "Übergang zu einem urbaneren, stärker industrialisierten Kontinent" unterstützt, der weniger auf fossile Brennstoffe angewiesen sei.


Quelle:
KNA