Zum 250. Geburtstag des Naturforschers Alexander von Humboldt

"Ein einziger lebender Organismus"

Raubbau an der Natur, Waldrodungen und Umweltzerstörung sind keine neuen Phänomene. Schon vor über 200 Jahren kritisierte der Naturforscher Alexander von Humboldt diese Phänomene und warnte vor deren gravierenden Folgen.

Autor/in:
Angelika Prauß
 Ein Denkmal für Alexander von Humboldt steht vor dem Eingang der nach ihm benannten Universität  / © Maurizio Gambarini (dpa)
Ein Denkmal für Alexander von Humboldt steht vor dem Eingang der nach ihm benannten Universität / © Maurizio Gambarini ( dpa )

In der Natur ist alles mit allem verwoben. Ändert sich etwas an einem Element im Ökosystem, hat das Auswirkungen auf das große Ganze. Was Studien heute auch mit Blick auf den Klimawandel immer wieder bestätigen, ist keine neue Erkenntnis. Vor 250 Jahren, am 14. September 1769, wurde ein Mann geboren, der diesen Zusammenhang schon beobachtet hat: der Berliner Naturforscher Alexander von Humboldt.

Niemand vor ihm hat bei Expeditionsreisen nach Mittel- und Südamerika so viele Daten zu Pflanzen, Tieren und Gestein zusammengetragen: Bei seiner ersten und zugleich größten Forschungsreise nach Lateinamerika sammelte er in fünf Jahren über 60.000 Pflanzenproben und füllte dutzende Notizhefte. Zugleich machte er sich daran, Berge, Flüsse und Landflächen in fremden Gefilden zu vermessen. Dafür kämpfte er sich durch dichte Urwälder am Orinoco und kletterte auf die höchsten Berge in den Anden.

Humbold, der Getriebene

Humboldt war nicht nur fasziniert von der Vielfalt des Lebens in den fernen Ländern. Er spürte zugleich, wie bedroht die Natur schon damals durch menschliche Eingriffe war. Am venezolanischen Valenciasee sah er erstmals verheerende Umweltschäden - das Land war durch Abholzungen für koloniale Plantagen unfruchtbar geworden. Und er schloss bereits damals daraus auf die herausragende Bedeutung des Urwaldes für ganze Ökosysteme und das Klima.

Zurück in Europa, machte er sich daran, seine Funde und Entdeckungen auszuwerten. Mit demselben Elan, mit dem er fremde Länder erkundet hatte, stürzte er sich in die Arbeit. Humboldt war ein Getriebener, schlief wenig, erledigte viele Dinge gleichzeitig und redete mitunter so schnell, dass ihm seine Gesprächspartner kaum folgen konnten.

Pflanzendetails fest in seine Gedächtnis verankert

Zugleich verfügte er über ein herausragendes Gedächtnis - noch nach Jahren konnte er sich an Pflanzendetails wie die Form eines Blattes erinnern. Sein überbordendes Wissen - Humboldt betrieb unter anderem auch Feldstudien in Physik, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie - teilte er mit den größten Denkern, Künstlern und Wissenschaftlern seiner Zeit und beeinflusste sie.

Der Forscher sei der erste gewesen, der vom "Netz des Lebens" sprach, sagt Humboldt-Biografin Andrea Wulf. Er habe die Natur als einen einzigen lebenden Organismus erkannt, "in dem alles mit allem zusammenhängt, einander bedingt und beeinflusst". Wulf sieht ihn ihm einen "visionären Denker, der seiner Zeit weit voraus war". Früh habe er vor menschlichen Eingriffen in die Natur und unabschätzbaren Folgen für kommende Generationen gewarnt.

Zahlreiche Flüsse, Berge und Gletscher sind nach ihm benannt

Humboldt sei einer der "faszinierendsten und beeindruckendsten Menschen seiner Zeit" und nach Napoleon der damals bekannteste Mann gewesen. Nicht ohne Grund sind in den von ihm bereisten Ländern zahlreiche Flüsse, Berge und Gletscher nach dem Universalgenie benannt, ebenso fast 300 Pflanzen und über 100 Tierarten wie der Humboldt-Pinguin.

Humboldt ging es offenbar weniger um neue, bahnbrechende wissenschaftliche Theorien. Wichtig war ihm vielmehr ein Gespür für die Natur. Der Forscher habe jene Daten zusammengetragen, "die er brauchte, um die Natur als einheitliches Ganzes zu begreifen", erklärt Wulf. Statt den Verstand mit Fakten zu bedienen, habe er bei seinen Zeitgenossen die «Liebe zur Natur» wecken wollen. "In einer Zeit, als andere Wissenschaftler nach universellen Gesetzen suchten, schrieb Humboldt, die Natur müsse erlebt und gefühlt werden."

Johann Wolfgang von Goethe war sein Unterstützer

Einer, der ihn in diesem Denken unterstützte, war sein Freund Johann Wolfgang von Goethe. Selbst Naturforscher, sah der Schriftsteller hinter der Vielfalt der Pflanzen eine Einheit. Humboldt wiederum entwickelte Goethes Ideen weiter; sie wurden die Grundlage für sein späteres Naturverständnis.

Während sich andere Wissenschaftler seiner Zeit immer mehr spezialisierten, abgrenzten und auf Fakten setzten, entwickelte Humboldt einen ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz zur wissenschaftlichen Forschung und zum Verständnis der Natur. Erkenntnis und Gefühl müssen dabei Hand in Hand gehen, lautete sein Credo. Eine Botschaft, die heute nicht weniger aktuell ist.


Quelle:
KNA