Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Messias Bolsonaro hat den Indigenen eine Mitschuld an den Waldbränden am Amazonas gegeben. Wie Medien am Dienstagabend (Ortszeit) berichteten, äußerte er sich vor Gouverneuren zu seiner Weigerung, indigenen Völkern Land zu überschreiben. Würde er entsprechenden Forderungen nachgeben, wären die Brände "in zwei Minuten vorbei", so Bolsonaro. Vor einigen Tagen hatte Bolsonaro bereits Nichtregierungsorganisationen für die Brände verantwortlich gemacht.
Bei dem Treffen mit den neun Gouverneuren der Amazonasregion sollte es eigentlich um Maßnahmen zur Bekämpfung der Brandherde im Amazonaswald gehen. Allerdings nutzte Bolsonaro das Treffen, um Kritik an den Landzuteilungen an indigene Völker zu äußern. So lägen seiner Regierung 400 Anträge vor, die er jedoch alle ablehnen werde. Die Brände interpretierte der Präsident als eine Antwort auf seine Weigerung.
Die Politik seiner Vorgänger, den Indigenen Land zuzuteilen, bezeichnete er als "Psychose" und als "verantwortungslos". So hätten frühere Präsidenten strategisch wichtige Gebiete den Indigenen abgetreten, obwohl diese oft «nicht mal Portugiesisch sprechen". Ziel der Landvergabe sei es gewesen, Brasiliens wirtschaftliche Entwicklung bewusst zu sabotieren. Brasiliens Verfassung von 1988 schreibt allerdings die Landvergabe an Indigene zwingend vor.
Im Laufe der nächsten Woche will Bolsonaro ein Maßnahmenpaket festzurren, das die indigenen Reservate betrifft. Genauere Angaben zu dem Vorhaben machte der Präsident allerdings nicht. Einige Gouverneure stimmten Bolsonaros kritischer Sicht auf die Indigenenpolitik zu. Auch die scharfen Umweltauflagen behinderten die Entwicklung seines Teilstaates, so der Gouverneur von Roraima, Antonio Denarium.
Andere Gouverneure warnten vor einem Imageschaden durch die Waldbrände für Brasilien. Darunter könnten auch die Agrar-Exporte leiden, so Mauro Mendes, Gouverneur von Mato Grosso. Kritik übten die Gouverneure zugleich an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser hatte Brasilien und Bolsonaro zuletzt heftig wegen der Umweltpolitik am Amazonas angegriffen. Bolsonaro hatte im Gegenzug Macrons Frau Brigitte beleidigt.
Aufgrund des Zwistes ist noch offen, ob Brasilien die von der G7-Gruppe angebotenen Hilfen in Höhe von 20 Millionen Euro annehmen werde. Bolsonaro hatte die Annahme an die Bedingung geknüpft, dass sich Macron persönlich bei ihm entschuldige. Später meldeten Medien am Dienstag, dass diese Bedingung zurückgezogen wurde. Zudem wolle man die Hilfen aus Großbritannien in Höhe von 10 Millionen Pfund annehmen, so das brasilianische Außenministerium am Dienstagabend (Ortszeit). (KNA, 28.8.19)
28.08.2019
Brasiliens Präsident Bolsonaro lässt es auf einen Konflikt mit Europa über den brennenden Amazonaswald ankommen. Angesichts bröckelnder Beliebtheit radikalisiert der Rechtspopulist noch einmal seinen Diskurs.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möge sich erst mal bei ihm entschuldigen; dann könne man sehen, ob man die am Vortag von den G7-Mitgliedern angebotenen 20 Millionen US-Dollar Hilfsgelder annimmt, so Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro am Dienstag. Unter Macrons Leitung hatten die G7 Geld für die Waldbrandbekämpfung am Amazonas freigemacht - doch Bolsonaro lehnte ab.
Diskussion zum Klimaschutz - ein Ablenkungsmanöver?
Seit Wochen leiden Brasiliens Beziehungen zu Frankreich unter den Unstimmigkeiten beim Schutz des Amazonas. Da sich Macron als Verteidiger des Pariser Klimaabkommens sieht und in Sachen Umwelt voranprescht, ist Bolsonaro sein perfekter Gegner. Der glaubt nicht an den Klimawandel und will Naturparks und indigene Gebiete zur wirtschaftlichen Ausbeutung freigeben. Damit ist er für die meisten Europäer ein Barbar.
Doch nicht nur Macron erhofft sich durch den Kampf ums Klima Pluspunkte bei der eigenen Bevölkerung. Auch Bolsonaro braucht dringend ein Thema, mit dem er von den Schwierigkeiten daheim ablenken kann. Der Brasilianische Real und die heimische Börse schwächeln, auch weil Investoren von Bolsonaros Wirtschaftskurs enttäuscht sind. Die öffentlichen Kassen sind leer, der Präsident muss unpopuläre Sparpakete auflegen.
Sieben Monate nach Amtsantritt sackt er in Umfragen ab. 40 Prozent lehnen die Regierungspolitik ab, seinen persönlichen Regierungsstil gar 54 Prozent. Das bislang betriebene Beschwören imaginärer Verschwörungen von Kommunisten und Marxisten zieht nicht mehr. Da kommt ein real existierender Gegner in Form der Europäer gerade recht - auch weil die Brasilianer beim Thema Amazonien gern ihren ansonsten eher geringen Nationalstolz hervorholen. Den harten Kern seiner Anhänger, rund 30 Prozent der Wähler, kann Bolsonaro mit solchen Themen mobilisieren.
Verteidiger der bedrohten Heimat
Schon rund um den Ende Juni verabschiedeten Handelspakt zwischen der EU und dem Mercosur-Block gab es Ärger. Macron hatte die Zustimmung Frankreichs an Bolsonaros Versprechen geknüpft, Umwelt und Indigene zu schützen. Die perfekte Gelegenheit für Bolsonaro, die Heimat verbal vor einer Einmischung ausländischer Mächte zu verteidigen.
Am Wochenende sagte Macron, Bolsonaro habe seine Versprechen von damals nicht eingehalten. Der schäumte - und beleidigte in einem Tweet Macrons Ehefrau Brigitte wegen ihres Alters. Bereits Macrons Initiative, das Thema Waldschutz auf die G7-Agenda zu setzten, hatte Bolsonaro verärgert. Macron habe eine "koloniale Mentalität", ätzte er. Wenig hilfreich war da auch Macrons Anregung zur Internationalisierung des bedrohten Amazonasgebiets. In der brasilianischen Regierung, die mit Militärs gespickt ist, nahm man diese Steilvorlage auf.
Bolsonaro sieht nun die Chance, sich zum Verteidiger der bedrohten Heimat aufzuschwingen - zwar nicht gegen Marxisten, wie er es stets beschwört, dafür aber gegen "Kolonisatoren" wie Macron. Der wolle in Wahrheit Frankreichs Bauern gegen die brasilianische Konkurrenz schützen. Die Hilfsangebote für den Amazonas bezeichnet Bolsonaro deshalb ebenso als Falle wie das ganze EU-Handelsabkommen.
Experten: Ohne Fördergelder ist der Amazonas verloren
Hilfe beim Löschen will er nur von seinen Verbündeten USA und Israel akzeptieren. Donald Trump und Benjamin Netanjahu sind Verbündete und Vorbilder zugleich. Längst scheint Bolsonaro auf ein Handelsabkommen mit den USA zu setzen, das gerade verhandelt wird. Am mit Umweltauflagen gespickten Abkommen mit der EU hat er bereits die Lust verloren. Sein Ziel sei es, gemeinsam mit US-Unternehmen die Rohstoffe am Amazonas zu heben, so Bolsonaro.
Wirtschaftsminister Paulo Guedes, ein ultraliberaler Chicago-Boy, scheint derweil seinen mildernden Einfluss auf den Präsidenten verloren zu haben. Er galt als Garant dafür, dass die internationale Finanzwelt trotz des für seine frauenfeindlichen und rassistischen Ausfälle bekannten Rechtspopulisten auf Brasilien setzt. Ein durch die Umweltprobleme ausgelöster EU-Boykott auf brasilianische Güter könnte das Land nun endgültig in den ökonomischen Abgrund stoßen.
Dabei könne man es sich eigentlich überhaupt nicht leisten, auf die internationalen Hilfsgelder für den Amazonas zu verzichten, warnen derweil Gouverneure und Umweltexperten in Brasilien. Ohne die bereits eingefrorenen Fördergelder aus Deutschland und Norwegen sei der Amazonaswald komplett ungeschützt. Bolsonaro hatte den Europäern zuletzt geraten, die Gelder doch für die Aufforstung Deutschlands zu verwenden. Brasilien brauche sie jedenfalls nicht.
Von Thomas Milz
Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Messias Bolsonaro hat den Indigenen eine Mitschuld an den Waldbränden am Amazonas gegeben. Wie Medien am Dienstagabend (Ortszeit) berichteten, äußerte er sich vor Gouverneuren zu seiner Weigerung, indigenen Völkern Land zu überschreiben. Würde er entsprechenden Forderungen nachgeben, wären die Brände "in zwei Minuten vorbei", so Bolsonaro. Vor einigen Tagen hatte Bolsonaro bereits Nichtregierungsorganisationen für die Brände verantwortlich gemacht.
Bei dem Treffen mit den neun Gouverneuren der Amazonasregion sollte es eigentlich um Maßnahmen zur Bekämpfung der Brandherde im Amazonaswald gehen. Allerdings nutzte Bolsonaro das Treffen, um Kritik an den Landzuteilungen an indigene Völker zu äußern. So lägen seiner Regierung 400 Anträge vor, die er jedoch alle ablehnen werde. Die Brände interpretierte der Präsident als eine Antwort auf seine Weigerung.
Die Politik seiner Vorgänger, den Indigenen Land zuzuteilen, bezeichnete er als "Psychose" und als "verantwortungslos". So hätten frühere Präsidenten strategisch wichtige Gebiete den Indigenen abgetreten, obwohl diese oft «nicht mal Portugiesisch sprechen". Ziel der Landvergabe sei es gewesen, Brasiliens wirtschaftliche Entwicklung bewusst zu sabotieren. Brasiliens Verfassung von 1988 schreibt allerdings die Landvergabe an Indigene zwingend vor.
Im Laufe der nächsten Woche will Bolsonaro ein Maßnahmenpaket festzurren, das die indigenen Reservate betrifft. Genauere Angaben zu dem Vorhaben machte der Präsident allerdings nicht. Einige Gouverneure stimmten Bolsonaros kritischer Sicht auf die Indigenenpolitik zu. Auch die scharfen Umweltauflagen behinderten die Entwicklung seines Teilstaates, so der Gouverneur von Roraima, Antonio Denarium.
Andere Gouverneure warnten vor einem Imageschaden durch die Waldbrände für Brasilien. Darunter könnten auch die Agrar-Exporte leiden, so Mauro Mendes, Gouverneur von Mato Grosso. Kritik übten die Gouverneure zugleich an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser hatte Brasilien und Bolsonaro zuletzt heftig wegen der Umweltpolitik am Amazonas angegriffen. Bolsonaro hatte im Gegenzug Macrons Frau Brigitte beleidigt.
Aufgrund des Zwistes ist noch offen, ob Brasilien die von der G7-Gruppe angebotenen Hilfen in Höhe von 20 Millionen Euro annehmen werde. Bolsonaro hatte die Annahme an die Bedingung geknüpft, dass sich Macron persönlich bei ihm entschuldige. Später meldeten Medien am Dienstag, dass diese Bedingung zurückgezogen wurde. Zudem wolle man die Hilfen aus Großbritannien in Höhe von 10 Millionen Pfund annehmen, so das brasilianische Außenministerium am Dienstagabend (Ortszeit). (KNA, 28.8.19)