Adveniat zu Waldbränden im Amazonasgebiet

Solidarität nicht mit Notre-Dame vergleichbar

Seit drei Wochen brennt die "grüne Lunge der Erde". Der Brand im Amazonas-Gebiet nimmt "apkalyptische Ausmaße" an, sagt Klemens Paffhausen von Adveniat. Brasiliens Präsident Bolsonaro gibt Umweltschützern die Schuld.

Waldbrände bedrohen die "grüne Lunge der Erde" im Amazonas / © Jair Ferreira Belafacce (shutterstock)
Waldbrände bedrohen die "grüne Lunge der Erde" im Amazonas / © Jair Ferreira Belafacce ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Kirche und Ihre Partner gehören im weitesten Sinne auch zu den Beschuldigten, weil sie sich immer für den Amazonas und die Bewahrung der Schöpfung eingesetzt haben. Wie empört ist man, wenn man solche Anschuldigen hört?

Klemens Paffhausen (Brasilien-Referent beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat): Die Empörung ist natürlich recht groß, zeigt aber auch, dass der jetzige Präsident es sich sehr einfach macht. Mit Häme und Spott ist er ja immer sehr schnell. Und das jetzt den Nicht-Regierungs-Organisationen, die seine erklärten Gegner sind, in die Schuhe zu schieben, lenkt letzten Endes nur davon ab, wie brisant eigentlich die Lage im Amazonasgebiet ist – auch mit seinen weltweiten Konsequenzen.

DOMRADIO.DE: Wie ist die aktuelle Lage in Brasilien? Wie groß sind die Schäden?

Paffhausen: Jüngste Satellitenbilder zeigen, dass nicht nur Brasilien, sondern auch der Mittelwesten Brasiliens und damit auch Bolivien und Paraguay betroffen sind. Es ist ein immenses Gebiet, von dem jetzt diese Feuer ausgehen. Es ist noch gar nicht abzusehen, wie sich das weiterentwickeln wird. Die Regenzeit ist ja gerade erst vorbei.

DOMRADIO.DE: Wie kommt es, dass die Zahl der Brände so dramatisch zugenommen hat? Es sind über 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Paffhausen: Nun gut, in Brasilien weiß man, dass spätestens mit der Politik Bolsonaros, die sehr freundlich ist für eine weitere Ausbeutung des Amazonas Gebietes, dort die Möglichkeiten fürs Abholzen jetzt wieder leichter sind, als vorher. Er hat sehr viele Umweltstandards zurückgedreht und auch schon verlauten lassen, dass er den Indigenen kein weiteres Land zur Verfügung stellen will.

Und so fühlen sich natürlich viele ermutigt, hier weiter in den Urwald einzugreifen. Brandrodung ist ein beliebtes Mittel, um neue Weideflächen zu schaffen oder sich Zugang zu Bodenschätzen zu verschaffen. All das wird im Moment noch weiter ausgenutzt.

DOMRADIO.DE: Es hat also alles etwas mit der Politik von Präsident Bolsonaro zu tun, der den Klimawandel leugnet und die Ausweitung von Agrarflächen vorantreiben will?

Paffhausen: Ja, das hat sicherlich mit der Politik zu tun. Aber die jüngsten Äußerungen zeigen auch, dass es letzten Endes eine sehr rückwärtsgewandte Politik ist. In den 1970er und 1980er Jahren war das Amazonas-Gebiet schon im Blickfeld von multinationalen Konzernen, wenn es darum ging, Bodenschätze auszubeuten.

Aber es hat sich dann immer mehr als Exportschlager für Soja entwickelt – mit ganz fatalen Auswirkungen. Aus der Sicht Bolsonaros ist das ganze Amazonasgebiet jetzt unter diesen Vorzeichen zu sehen. Ich glaube in seinen Augen ist es ein reines Konjunkturprogramm. Anders lassen sich seine Deutungen und Rückmeldungen an die Kanzlerin und an den Außenminister hier in Deutschland nicht verstehen.

DOMRADIO.DE: In wenigen Wochen findet die Amazon-Synode statt, die sich mit der fortschreitenden Zerstörung dieses Lebensraums beschäftigt. Die Kirche setzt sich seit Jahrzehnten für die Bewahrung der Schöpfung dort ein. Findet sie derzeit noch Gehör bei der Politik?

Paffhausen: Es wird immer schwerer, besonders weil sich – zumindest in Brasilien – die Kirche als eine sehr kritische Stimme vernehmen lässt. Sie legt den Finger in die Wunden – insbesondere, wenn es um Eingriffe in dieses hochkomplexe Ökosystem im Amazonasgebiet geht. Dort geht es aber auch um den Lebensraum von Indigenen. Von dem können wir uns durchaus etwas abschauen im Bezug darauf, wie man mehr im Einklang mit der Natur leben kann.

Wir bekommen momentan nicht nur in Brasilien, sondern weltweit vor Augen geführt, dass die Grenzen eigentlich schon längst überschritten sind. Sich hier nochmal ganz dezidiert zu besinnen, vielleicht innezuhalten und zu überlegen, ob es der richtige Weg ist, den wir hier gehen, das ist sicher die Aufgabe der Kirche.

Und das ist auch der Wunsch vieler Partnerorganisation von Adveniat, um sich dort mit so einer Stimme vernehmen zu lassen. Leider sind die Wirtschaftsinteressen - gerade in der Politik Bolsonaros - momentan an erster Stelle.

DOMRADIO.DE: Als vor einigen Monaten Notre-Dame in Paris brannte, gab es weltweit Bestürzung und Solidarität. Innerhalb weniger Tage kam fast eine Milliarde an Spenden zusammen. Der Amazonas brennt nun seit drei Wochen. Wieso gibt es für diese Brände nicht so viel Aufmerksamkeit? Die Folgen betreffen uns doch alle. Der Amazonas produziert schließlich 20 Prozent des weltweiten Sauerstoffs.

Paffhausen: Man kann sich nur wundern, dass dort so gelassen zugeschaut wird, wenngleich die jüngsten Ereignisse in São Paulo schon ein apokalyptisches Ausmaß angenommen haben. Dort hat sich am frühen Nachmittag das Tageslicht absolut verdunkelt und es hat schwarzen Regen gegeben.

Spätestens dann hat man gemerkt, wie unmittelbar man betroffen ist. Aber offensichtlich wird dieses Problem noch nicht als so wichtig wahrgenommen werden, dass es die Menschen weiter umtreibt. Ob die Spendenbereitschaft durch solche Meldungen angekurbelt wird, wage ich zu bezweifeln.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Adveniat-Länderreferent Klemens Paffhausen / © Theresa Meier (DR)
Adveniat-Länderreferent Klemens Paffhausen / © Theresa Meier ( DR )

Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz (KNA)
Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz ( KNA )

Satellitenbild zeigt Brände im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso / © Planet Labs Inc. (dpa)
Satellitenbild zeigt Brände im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso / © Planet Labs Inc. ( dpa )
Quelle:
DR
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