Umweltbischof Rolf Lohmann fordert mehr Einsatz für Klimaschutz

Eine neue Genügsamkeit entdecken

Es sollte ein Preis oder eine Steuer für den Ausstoß des Treibhausgases CO2 erhoben werden, sagt Weihbischof Rolf Lohmann im Interview. Seit Jahresbeginn ist er Umweltbischof der katholischen Kirche in Deutschland.

Rolf Lohmann / © Harald Oppitz (KNA)
Rolf Lohmann / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Herr Weihbischof Lohmann, die Autorin Verena Brunschweiger macht einen seltenen Vorschlag: Wegen des Klimas keine Kinder mehr kriegen. Das spare CO2. Was sagen Sie als katholischer deutscher Umweltbischof zu diesem Vorstoß?

 

Rolf Lohmann (Weihbischof des Bistums Münster und Umweltbischof der katholischen Kirche in Deutschland): Diese Forderung geht für mich am Ziel vorbei. Aus theologischer Sicht ist der Mensch ja als Abbild Gottes zentraler Teil der Schöpfung. Der Vorschlag von Frau Brunschweiger bedeutet aber in letzter Konsequenz, die Anwesenheit des Menschen auf diesem Planeten infrage zu stellen. Damit würde das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Vielmehr muss es darum gehen, dass wir Menschen verantwortungsbewusst mit der Schöpfung umgehen und gemeinsam alles dafür tun.

KNA: Sie haben die Schüleraktion "Fridays for Future" gelobt. Manch einer vergleicht die 16 Jahre alte Initiatorin Greta Thunberg mit einem Propheten. Können Sie da mitgehen?

Lohmann: In der Tat finde ich es gut, dass sich die jungen Menschen politisch engagieren und für mehr Klimaschutz einsetzen. Den Vergleich mit einem Propheten kann ich verstehen. Manchmal braucht es Menschen, die wie die alttestamentlichen Propheten der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und auf Dinge hinweisen, die sie in ihrem Alltagstrott nicht sehen will. In ihren Anfang April vorgelegten "Zehn Thesen zum Klimaschutz" haben die deutschen Bischöfe betont, dass der Klimawandel eine weltweite Herausforderung ist. Unter ihm leiden die ärmsten Bevölkerungsschichten am meisten. Es geht um nicht weniger als das globale Gemeinwohl. Den Einwand, die Schülerinnen und Schüler wollten nur schulfrei haben, lasse ich nicht gelten. Ich erlebe so viel Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung und habe die große Hoffnung, dass sie ein Umdenken herbeiführen.

KNA: Welche politischen Maßnahmen braucht es denn jetzt, um konsequent das Klima zu schützen?

Lohmann: Notwendig ist eine gesamtgesellschaftliche Bereitschaft, Dinge zu ändern, um das Klima zu schützen. Jeder Einzelne, jede Gruppierung und jeder Wirtschaftssektor - Energie, Immobilien, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft - müssen ihren Beitrag leisten.

Die Klimaziele sind konsequent umzusetzen. Schöne Worte helfen nicht. Daher bedarf es eines verlässlichen Rahmens. Und dazu gehört es, einen Preis oder eine Steuer für den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu erheben. Denn es muss spürbare Konsequenzen haben, wenn vereinbarte Ziele nicht eingehalten werden. Die so gewonnenen Gelder sollten für Forschung und neue Strategien gegen den Klimawandel verwendet werden.

KNA: Auch Konsumverzicht wirkt sich nach Ansicht von Experten positiv aufs Klima aus. Müssen wir jetzt alle Asketen werden?

Lohmann: Askese wird uns da nicht helfen. Zu radikale Forderungen wirken abschreckend und erreichen oft das Gegenteil. Aber es sollte unser Ziel sein, eine neue Genügsamkeit zu entdecken. Immer größer, höher, schneller, besser, so wie wir es aus der Werbung kennen, das wird nicht mehr funktionieren. Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. So schreibt es Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si" - und das ist ein schöner Satz.

KNA: Weniger Auto fahren oder Fleisch von den Tellern verbannen - damit tun sich viele Menschen schwer. Lässt sich mit dem Prinzip Freiwilligkeit die Umwelt noch retten?

Lohmann: Im Christentum ist Freiheit ein ganz großes Thema. Dieses Prinzip Freiheit gilt es immer hochzuhalten. Allerdings funktioniert Freiheit nur in Verantwortung - auch im verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung. Wenn wir auf freiwilliger Basis nicht weiterkommen, muss sich die Gesellschaft über verbindlichere Schritte verständigen. Bei der Änderung des Lebensstils lässt sich übrigens an die alte kirchliche Tradition anknüpfen. Das Fasten am Freitag etwa ist zum Teil verloren gegangen. Aber ein Tag fleischlose Ernährung kommt auch dem Klima zugute. Und in analoger Weise ließe sich an bestimmten Tagen auf das Auto verzichten.

KNA: Die Kirche ist ein Global Player. Wie könnte sie sich für mehr Umweltschutz engagieren?

Lohmann: Die Kirche kann sich auch auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene für eine wirksame Umweltpolitik einsetzen - in Deutschland, Europa und weltweit. Papst Franziskus hat mit "Laudato si" im Jahr 2015 dafür gesorgt, dass das Thema Schöpfungsverantwortung weltweit auf der Agenda steht. Die Enzyklika fand und findet auch außerhalb der Kirche starke Beachtung - etwa bei den Verhandlungen zum Pariser Klimaschutzabkommen. Die Kirche trägt nicht zuletzt durch ihre weltweite Vernetzung - ich denke etwa an die Amazonas-Synode im Oktober - zu einem globalen Umwelt- und Problembewusstsein bei. Über die Arbeit der Hilfswerke oder durch die weltkirchlichen Partnerschaften der Diözesen und Gemeinden bestehen konkrete Kontakte zu Opfern des Klimawandels und der Ressourcenausbeutung. Aus deren Erfahrungen können wir lernen und Fehlentwicklungen korrigieren. Der Austausch ist ganz wichtig; ihn gilt es weiterzupflegen.

KNA: Können die Kirchengemeinden noch mehr tun?

Lohmann: Die Kirche kann auch in ihren eigenen Einrichtungen modellhaft zeigen, wie Umweltschutz praktisch möglich ist. Bei meinen Visitationen vor Ort erlebe ich wirklich viel Engagement der Gemeinden. An vielen Stellen können wir natürlich noch besser werden.

Das wissen wir und haben deshalb im November vergangenen Jahres die Arbeitshilfe "Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag" mit konkreten Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung veröffentlicht. Da findet sich etwa der Vorschlag, kirchliche Immobilien wie Pfarrheime oder Kindergärten nach ökologischen Maßstäben zu renovieren. Kirchenland könnte nachhaltiger bewirtschaftet werden. Wenn kirchlich genutzte Fahrzeuge angeschafft werden, sollte auf alternative Antriebe wie Hybrid- oder elektrische Motoren geachtet werden. Das ganze Thema Umweltverantwortung müsste in unseren Gebeten, in unserer Liturgie, in den Fürbitten vorkommen, damit wir auch wirklich einen Sensus für dieses Thema bekommen.

Das Interview führte Andreas Otto.


Quelle:
KNA