Ein Kommentar zum Kompromiss bei Paragraf 219a

Eine bittere Pille

Ärzte sollen straffrei informieren dürfen, Werbung aber soll verboten bleiben. So der Kompromiss der Koalition im Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Für DOMRADIO.DE Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen eine bittere Pille.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Edgar Schoepal (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Edgar Schoepal ( DR )

Der jetzt bekannt gewordene Referentenentwurf ist ein Kompromiss mit reichlich bitterem Beigeschmack. Seit Jahren wird um den § 219a erbittert gestritten. Es geht um "Werbung für Abtreibung", die in diesem Paragrafen verboten ist. Im Kern geht es – wie schon beim Streit um den § 218 – um das Recht des ungeborenen Lebens und das Selbstbestimmungsrecht der werdenden Mütter. Gestritten wird mit harten Bandagen und drastischen Sprachbildern. Es geht um die Begriffe und die damit verbundene Deutungshoheit. Wo liegt der Unterschied zwischen "Werbung" und "Information"? Wenn DOMRADIO.DE im Internet auf Gottesdienstübertragungen hinweist – ist das dann Werbung oder Information? Es gibt keine scharfe Trennlinie. Klar sollte sein, dass kein Schwangerschaftsabbruch jemals eine normale ärztliche Leistung ist. Aber vielleicht muss man auch konzedieren, dass für Mediziner, die in bestimmten Notlagen helfen, in der Regel nicht der "Vermögensvorteil" der Grund ist.

Falsche Begriffe helfen in ausweglosen Situationen wenig weiter. Das musste auch Papst Franziskus erkennen, als er Abtreibung und Auftragsmord in einem Atemzug nannte. Ja, drastische Worte rütteln auf – können helfen, ein Problem auf den Punkt zu bringen. Aber ob ungewollt schwanger gewordenen Frauen und ihren Kindern damit wirklich geholfen ist? Wirklich helfen können eine gute Aufklärungsarbeit und ein umfassendes Hilfs- und Beratungsangebot. Und natürlich menschliche Zuwendung und Verständnis, Menschen mit gutem Rat und helfender Tat. Und Verhütungsmethoden, die bereits vor dem Entstehen neuen Lebens wirksam sind. 

Ein Kompromiss ist bisweilen eine richtig bittere Pille, die man sich gegenseitig verabreichen muss, wenn im realen Leben unvollkommene Entscheidungen besser sind als unerreichbare, perfekte Lösungen. Jedenfalls solange die paradiesischen Zeiten noch auf sich warten lassen.

Ingo Brüggenjürgen


Quelle:
DR