Deutschland beim Umstieg auf Sonne, Wind und Co. nur Mittelmaß

Schlechte Noten für alle Staaten

Lange galt Deutschland als Vorreiter der Energiewende. Doch inzwischen fällt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich zurück. Dabei tut kein Land weltweit genug, um den Temperaturanstieg unter zwei Grad zu halten.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Nicht nur die deutsche Fußballnationalmannschaft ist ins Mittelmaß zurückgefallen. Auch beim Klimaschutz gehört Deutschland längst nicht mehr zur Spitzengruppe weltweit. Glaubt man dem am Montag auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz veröffentlichten Klimaschutz-Index der Umweltorganisationen Germanwatch und NewClimate Institute, dann ist der einstige Vorreiter der Energiewende um fünf Plätze in der Rangliste abgefallen und liegt mittlerweile nur auf Rang 27 von 56 untersuchten Staaten - das ist die zweitschlechteste Platzierung in dem seit 14 Jahren ermittelten Ranking. Selbst Indien, Brasilien und Ägypten werden besser bewertet.

Erste drei Plätze des Rankings nicht vergeben

Die ersten drei Plätze des Rankings haben die Autoren erst gar nicht vergeben, weil ihrer Einschätzung nach kein Land weltweit genug Anstrengungen unternimmt, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen und den Temperaturanstieg auf unter zwei Grad zu begrenzen. Die besten Noten erhalten Schweden (Platz 4.), Marokko (5.) und Litauen (6.). Ganz am Ende der Rangliste liegen die USA und Saudi-Arabien.

Der Bericht bewertet die vier Bereiche Emissionen (40 Prozent der Gesamtwertung), Energieverbrauch (20 Prozent), Erneuerbare Energien (20 Prozent) und Klimapolitik (20 Prozent). Insgesamt attestieren die Klimaexperten der Staatengemeinschaft eine "sehr zögerliche" Umsetzung der Klimaziele von Paris. Es fehle weithin ein ausreichender politischer Wille zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas.

Zugleicht attestieren die Autoren allerdings deutliche Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien. "Nach drei Jahren stagnierender Emissionen steigt der CO2-Ausstoß weltweit wieder an", heißt es im Bericht. Die Autoren gehen von einem Plus von 1,6 Prozent im Jahr 2017 aus. Zugleich sei der weltweite Energieverbrauch um 2,2 Prozent gestiegen - die Kohleproduktion habe erstmals seit 2013 wieder zugenommen. "Dennoch gibt es ermutigende Zeichen, dass die weltweite Energiewende auf dem Weg ist", macht der Bericht Hoffnung. 2017 sei das Jahr mit dem weltweit größten Anstieg in der Produktion erneuerbarer Energien gewesen, 64 Prozent der neuen Kapazitäten allein in Asien.

Insbesondere Länder mit bisher geringer Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen holen nun auf. "Erneuerbare sind im Vergleich zu neuen fossilen Kraftwerken in vielen Regionen der Welt wirtschaftlicher, zudem hat auch das Pariser Abkommen den Schub für regenerative Energiequellen verstärkt", erklärt Niklas Höhne vom NewClimate Institute, einer der Autoren des Index. "Die Kosten sind seitdem um grob ein Drittel weiter gesunken. Allerdings müsste der Ausbau noch deutlich beschleunigt werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen."

Bericht fordert deutschen Kohleausstieg

Für Deutschland fordert der Bericht insbesondere eine andere Verkehrspolitik und den Ausstieg aus der Kohle. "Die Bundesregierung steht bei der dringend notwendigen Verkehrswende auf der Bremse und ist auch bei der drängenden Frage zum Kohleausstieg mit leeren Händen nach Kattowitz gefahren", bemängelt Jan Burck von Germanwatch. Der Anteil von Kohlestrom betrage immer noch 42 Prozent. Zum Vergleich: Dänemark hat seinen Anteil von Kohlestrom in den letzten Jahrzehnten von 91 auf 28 Prozent reduziert und Großbritannien von 65 auf 9 Prozent.

Konkret stehe Deutschland vor drei großen Herausforderungen, so die Autoren des Index: Erstens müssten die systemischen Fragen der Energiewende gelöst werden. "Der Um- und Ausbau von Netzen, Nachfragemanagement sowie Speicher müssen deshalb eine zentrale Rolle spielen." Zweitens müsse der Kohleausstieg im Rahmen eines fairen Strukturwandels bis zirka 2030 vollzogen werden, gemeinsam mit einem entsprechend fortgeführten Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und drittens müsse die Wende im Verkehrssektor in Richtung CO2-Reduktion vorangetrieben werden.

Für die Klimaforscher ist klar: "Deutschland braucht einen Mix von Instrumenten - aber ohne einen Preis für den CO2-Ausstoß in allen Sektoren wird eine rechtzeitige und kosteneffiziente Transformation nicht gelingen."


Quelle:
KNA