Misereor weist auf Bedingungen in Kohleabbau-Ländern hin

"Kohleabbau geht Hand in Hand mit Gewalt"

Trotz des Ausstiegs aus dem Steinkohleabbau zum Ende des Jahres gibt es weiterhin Kraftwerke in Deutschland: Die Steinkohle wird künftig nur noch importiert. Misereor will, dass die Unternehmen auf die Bedingungen vor Ort achten.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Der Abschied von den Kumpeln unter Tage, die Schließung der Zechen: Das bedeutet alles nicht, dass die Energiegewinnung aus Steinkohle abgeschafft wird, sondern dass die Steinkohle dann zu 100 Prozent in unsere Kraftwerke importiert wird. Woher kommt die Kohle?

Kathrin Schroeder (Referentin der Abteilung für Energiepolitik und Globale Zukunftsfragen bei Misereor): Wir sehen, dass die Steinkohle jetzt aus der ganzen Welt importiert wird. Ein großer Teil kommt zum Beispiel aus Russland, aber auch aus Australien und aus Ländern des globalen Südens wie Kolumbien und Südafrika.

DOMRADIO.DE: Wie stellt man sich die Bedingungen dieses Steinkohleabbaus beispielsweise in Kolumbien vor?

Schroeder: In Kolumbien wird die Steinkohle im Unterschied zu Deutschland im großen Tagebau abgebaut. Da haben wir zum Beispiel die größte Mine der Welt, die heißt El Cerrejon und ist in Nord-Kolumbien. Und da ist ein gigantisches Loch im Boden, so ähnlich wie wir das vielleicht aus den Braunkohle-Regionen kennen. Große Rohstoffkonzerne bauen dort im ganz großen Stil die Kohle ab, die unter anderem auch nach Europa exportiert wird.

DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich mit Ökologie und auch mit Menschenrechten. Inwieweit spielen denn die Menschenrechte da eine Rolle?

Schroeder: Wir sehen in Kolumbien, dass besonders in den Kohleregionen die Menschen besonders arm sind. Wir sehen, dass dort der Kohleabbau Hand in Hand mit Gewalt und Umweltverschmutzung geht. Da kommen zum Beispiel Vertreibungen vor. Wir haben auch schon von Bedrohungen und Morden gehört. Es ist wirklich nicht so, dass der Kohlesektor, der Energiebereich, dort eine Wirtschaft wie jede andere ist.

DOMRADIO.DE: Morgen Abend veranstalten Sie in Berlin eine Podiumsdiskussion (siehe Kasten links) und dort haben Sie verschiedene Teilnehmer. Unter anderem kommt jemand, der selbst betroffen ist. Wer ist das, wen haben Sie da eingeladen?

Schroeder: Wir haben eine Betroffene aus einem Dorf eingeladen, die in der Nähe dieser riesigen Kohlemine in Kolumbien wohnt. Das ist Sindy, eine junge Frau, die auch Kinder hat. Sie lebt dort schon ihr ganzes Leben in der Nähe dieser gigantischen Kohlemine. Und sie wird hoffentlich davon berichten, wie das so ist, wenn man in einer indigenen Gemeinschaft aufgewachsen ist, die von der Landwirtschaft lebte, und dann mehr und mehr seine Lebensweise nicht mehr ausüben kann, weil die Kohle immer weiter vorrückt. Und wie sie die Stäube und die Emissionen aus der Kohlemine bemerkt, die mehr und mehr auf die Gesundheit schlägt.

DOMRADIO.DE: Was sind die Forderungen von Misereor an die deutschen Unternehmen, die die Steinkohle importieren?

Schroeder: Wir können vielleicht den wichtigsten Unterschied (zum Braunkohle-Tagebau Hambach zum Beispiel, Anm.d.Red.) an dieser Stelle festhalten: In Deutschland gibt es natürlich ein System von rechtlichen Rahmenbedingungen, wie solche Umsiedlungen aufgrund von Rohstoffabbau vonstatten zu gehen haben. Das gibt es in Kolumbien nur sehr eingeschränkt und wenn es Gesetze gibt, dann werden sie durchaus auch oft missachtet. Wir haben dort auch schon Gemeinden gesehen, die vielleicht umgesiedelt wurden. Wo versucht wurde, einvernehmlich Prozesse anzustoßen, wie, dass Energieunternehmen die Gemeinde auch zu entschädigen hat. Aber es ist oft nicht zu den angemessenen Entschädigung gekommen. Die Menschen versuchen trotzdem, ihr Recht einzuklagen.

Wir sehen vor allem: Wenn die großen Unternehmen in Menschenrechtsverletzungen verstrickt sind - wie zum Beispiel in paramilitärische Aktivitäten, wie es während des Bürgerkriegs war - dann ist es oft so, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht angemessen verfolgt werden. Und wir sagen: Die Energieunternehmen in Deutschland, die diese Steinkohle von den Rohstoffkonzern einkaufen, sind mit dafür verantwortlich. Sie sind verantwortlich in ihrer Lieferkette sicherzustellen, dass keine Menschenrechtsverletzungen passieren, dass die Umweltauswirkungen möglichst eingeschränkt werden. Im Moment sehen wir keine rechtliche Handhabe, dies von Energieunternehmen in Deutschland einzufordern.

DOMRADIO.DE: Sie haben für morgen auch einen Politiker eingeladen. Frank Schwabe sitzt für die SPD im Bundestag und ist für Lateinamerika-Fragen zuständig, auch für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Was fragen Sie ihn denn dann?

Schroeder: Da müssen Sie morgen zu unserer Veranstaltung kommen, das kann ich nur jedem sehr empfehlen. Aber wir werden vor allem mit Frank Schwabe natürlich über die politischen Handlungsmöglichkeiten sprechen. Wir werden ihn fragen, was denn die Bundesregierung, was denn vor allem die SPD plant, in der kommenden Legislaturperiode an dieser Problematik zu verändern. Im Moment gibt es nur eine freiwillige Regelung für Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen ihrer Lieferkette zu ahnden. Wir werden ihn fragen, wie er sich zur Energiepolitik und zum Kohleausstieg verhält. Vor allem da er ein Abgeordneter aus dem nördlichen Ruhrgebiet ist, glauben wir, dass er da schon durchaus etwas zu sagen hat.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR
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