Mikroplastik ist nicht nur in den Meeren ein Problem

Plastik in der Erde

Das Problem des Plastikmülls im Meer kennt nahezu jeder. Aber kaum bekannt ist, dass auch die Böden wohl Unmengen an Mini-Kunststoffteilchen enthalten. Die Folgen für die Menschen sind noch unklar.

Autor/in:
Nils Sandrisser
Plastikmüll ist nicht nur ein Problem in den Meeren / © Christoph Schmidt (dpa)
Plastikmüll ist nicht nur ein Problem in den Meeren / © Christoph Schmidt ( dpa )

Plastik soll vor allem haltbar sein. Dafür wurde es schließlich erfunden und hergestellt. Für die Umwelt ist das ein riesiges Problem, weil weggeworfener Kunststoff nur im Zeitraum von Jahrzehnten bis Jahrhunderten abgebaut wird. Längst ist bekannt, dass sich in den Ozeanen riesige Müllstrudel drehen, dass Fische, Wale und Meeresvögel an Plastik verenden, weil sie es fressen oder weil sie in herrenlos treibenden Fischernetzen sterben.

Weniger erforscht ist hingegen, wie sich Mikro- und Nanoplastik auf Organismen auswirken - also die sehr kleinen Teilchen, zu denen der Kunststoff zerfällt. Mikroplastik heißen Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, während Partikel unter einem Mikrometer - das ist das Tausendstel eines Millimeters - als Nanoplastik firmieren.

Verschmutzung an Land größer als in den Meeren

An Land war das Problem des Plastikmülls lange Zeit höchstens ein ästhetisches, so glaubten viele. Aber allein in Deutschland, hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen in einer aktuellen Studie berechnet, entsteht jedes Jahr eine Menge von rund 330.000 Tonnen ultrafeines Plastik - rund vier Kilo pro Kopf.

"Die Verschmutzung durch Mikroplastik an Land ist dabei viel größer als in den Meeren - sie wird je nach Umgebung auf das vier- bis 23-fache geschätzt", erklärten Forscher des Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin (FU) schon Ende vergangenen Jahres.

Oft sind die Teilchen so klein, dass Menschen sie mit bloßem Auge nicht mehr wahrnehmen. Manche Nato-Partikel sind zehn Mal kleiner als ein Bakterium. Solch kleine Teilchen können die Membranen von Zellen passieren. Das bedeutet: Pflanzen sind in der Lage, sie mit ihren Wurzeln aufzunehmen, darauf weist die FU hin. "Damit würde Plastik nicht nur über Fisch und Meeresfrüchte in unsere Nahrungskette gelangen, sondern auch durch Agrarprodukte", sagt der Pflanzenökologe Matthias Rillig, der an der FU eine Studie zu Plastik im Boden geleitet hat.

Frage nach gesundheitlichen Schäden

Für Fische hat das IGB nachgewiesen, dass Plastik ins Blut und in die Organe gelangen kann, auch ins Gehirn. Noch wissen Forscher nicht, ob und welche Auswirkungen Nanoplastik genau auf den Menschen haben könnte, darauf weist Rillig hin. Plausibel ist eine schädliche Wirkung allerdings schon. Denn zerfällt Plastik, treten mitunter Inhaltsstoffe aus wie Weichmacher und Stabilisatoren. Solche Stoffe können sich beispielsweise auf das Hormonsystem auswirken oder Krebs fördern.

Die Frage ist, ob sie es in jener Konzentration, in der sie derzeit in der Umwelt vorhanden sind, auch wirklich tun. "Das würde mich auch interessieren", sagt die Forscherin Saskia Rehse vom IGB.

Die Forschung stehe da noch ganz am Anfang, es gebe noch viele Fragezeichen. Ralf Bertling, einer der Autoren der Fraunhofer-Studie, betont den Präventionsgedanken: "Auch wenn wir nicht wissen, ob das gefährlich ist, müssen wir die Kunststoffemissionen senken."

Rehse hat an Wasserflöhen geforscht. "Bei ihnen hat das Plastik dafür gesorgt, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten", schildert sie. Allerdings hat Rehse die Wasserflöhe so hohen Konzentrationen an Mikroplastik ausgesetzt, wie sie in der Umwelt nicht oder noch nicht vorkommen.

Andere Versuche der FU mit Regenwürmern haben ebenfalls gezeigt, dass der Kunststoff ihnen nicht gut tut. Wenn sie nicht gleich daran sterben, erreichen sie häufig nicht ihre normale Länge. Und auch wenn das Plastik selbst ungefährlich wäre, können die kleinen Teilchen dennoch schädlich wirken, sagt Rillig: "An ihrer Oberfläche können sich toxische Stoffe gut anheften."

Das unsichtbare Plastik im Boden stammt aus vielen Quellen. Zu nennen wäre weggeworfener Abfall - Tüten oder Becher zum Beispiel.

Zerfall in immer kleinere Partikel

Unter dem UV-Licht der Sonne sowie dem Einfluss von Wind und Wetter zerfallen sie zu immer kleineren Partikeln. Bereits in kleinen Stückchen kommt Kunststoff aus Autoreifen auf den Äckern an - der Wind nimmt den Abrieb der Pneus von den Fahrbahnen mit.

Nach aktuellen Erkenntnissen des Oberhausener Fraunhofer-Instituts sind Autoreifen die bei weitem größte Quelle für Plastik im Boden - rund 1,2 Kilo pro Kopf und Jahr. Auch beim Wäschewaschen entstehen die Kunststoff-Winzlinge: Beim Schleudern von Wäsche mit Polyester-Anteil schwimmen sie mit dem Abwasser zur Kläranlage und verbleiben dort im Klärschlamm, der anschließend als Dünger auf die Felder kommt.

Lange Zeit kam außerdem ein Teil des Plastiks schon ultraklein aus der Fabrik - nämlich als Zusätze in Shampoos, Pudern, Zahnpasta, Wimperntusche oder Lippenstiften. Nahezu alle dieser Kunststoffpartikel landeten letztendlich im Abwasser und über den Umweg der Kläranlage auf den Äckern.

"Gnadenlos überflüssig", sagt Fraunhofer-Wissenschaftler Bertling zu dem Plastik aus Kosmetika. Denn Ersatzstoffe stünden schon längst zur Verfügung - Kieselsäure, Mineralstoffe oder zerstoßene Obstkerne.

Aber hier hätten die Hersteller bereits reagiert, lobt er, viele Produkte seien heute nahezu plastikfrei: "Bis vor ein paar Jahren war in einer normalen Tube Zahnpasta etwa ein Daumenbreit Kunststoff drin." In seiner Studie rangiert das Plastik aus Kosmetika erst an 17. Stelle.


Plastik im Meer - eine Gefahr für die Meeresbewohner / © MIKE NELSON (dpa)
Plastik im Meer - eine Gefahr für die Meeresbewohner / © MIKE NELSON ( dpa )
Quelle:
epd
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