NRW-Regierung stoppt nach Todesfall Räumungen im Hambacher Forst

"Nicht einfach zur Tagesordnung übergehen"

Schock für alle Beteiligten: Der Tod eines Journalisten im Hambacher Forst unterbricht den politischen Streit über den Braunkohleabbau und die Räumung von Baumhäusern. Der junge Mann war aus rund 15 Metern Höhe abgestürzt.

Journalist verletzt sich tödlich bei Absturz im Hambacher Forst / © Christophe Gateau (dpa)
Journalist verletzt sich tödlich bei Absturz im Hambacher Forst / © Christophe Gateau ( dpa )

Nach dem Tod eines Journalisten hat die nordrhein-westfälische Landesregierung die umstrittene Räumung des Hambacher Forsts im rheinischen Braunkohlerevier vorerst ausgesetzt.

"Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwochabend in Düsseldorf. Die Grünen zogen ihren Antrag zurück, am Donnerstag im Landtag über ein Rodungsmoratorium zu debattieren. Greenpeace sagte eine geplante Pressekonferenz ab. Kohlegegner, die Linksfraktion im Bundestag und der Kirchenkreis Jülich forderten, die Räumung des Waldgebiets zu beenden.

Am Nachmittag hieß es dann, es sei ein tragischer Unfall gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden, teilte die Staatsanwaltschaft Aachen am Donnerstag mit.

Journalist stüzt aus 15 Metern Höhe ab

Ein junger Journalist war laut Aachener Polizei am Mittwochnachmittag von einer rund 15 Meter hohen Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern von Waldbesetzern gestürzt und seinen Verletzungen erlegen. Zu dem Zeitpunkt habe es "keine polizeilichen Maßnahmen in der Nähe der Unglücksstelle und am genannten Baumhaus" gegeben.

Das Aktionsbündnis "Hambi bleibt" nannte den Mann einen "Freund, der uns seit längerer Zeit im Wald journalistisch begleitet hat". Zum Zeitpunkt des Unglücks hätten die Polizei und RWE versucht, ein Baumhausdorf zu räumen: "Das SEK war gerade dabei, einen Aktivisten in der Nähe der Hängebrücke festzunehmen." Der Journalist sei anscheinend auf dem Weg dorthin gewesen und auf der Hängebrücke gestürzt.

Der sichtlich betroffene NRW-Innenminister Reul sagte zur Aussetzung der Räumungsaktion: "Wir können jetzt nicht einfach so weitermachen." Der politische Streit sei angesichts des Todesfalls nebensächlich: "Es ist jetzt keine Zeit für Auseinandersetzungen und Rechthabereien."

Räumungen vorläufig gestoppt

Die Grünen reagierten ebenfalls betroffen und begrüßten die Entscheidung des Innenministers, vorläufig auf weitere Räumungen zu verzichten. "Es ist richtig, dass alle polizeilichen Maßnahmen auf die Aufklärung des Vorfalls konzentriert werden", erklärten die Vorsitzenden von Partei und Fraktion in Nordrhein-Westfalen. "Eine Bewertung verbietet sich derzeit." Auch die Landtagsdebatte über das Thema müsse warten: Nun sei "nicht der Tag des politischen Schlagabtausches, sondern zum Innehalten".

Greenpeace verschob eine Pressekonferenz zur geplanten weiteren Abholzung des Hambacher Forstes. "Wir wollen nicht wenige Stunden nach dieser Tragödie zum Tagesgeschäft übergehen", erklärte ein Sprecher in Berlin. Mehrere Umweltorganisationen wollten der Düsseldorfer Landesregierung aber am Donnerstag einen Appell mit mehr als 500.000 Unterschriften zur Rettung des verbliebenen Hambacher Waldes übergeben.

Das Bündnis "Hambi bleibt" forderte die Polizei und den Essener Energiekonzern RWE auf, den "gefährlichen Einsatz" zu stoppen. Es dürften "keine weiteren Menschenleben gefährdet werden". Die Linke im Bundestag verlangte die sofortige Beendigung des Polizeieinsatzes.

Evangelischer Kirchenkreis Jülich betroffen

Die Räumung von Baumhäusern in teils über 30 Metern Höhe sei ein nicht kalkulierbares Risiko für alle Beteiligten. Auch der Evangelische Kirchenkreis Jülich sprach sich dafür aus, die Räumung einzustellen.

Der Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen gilt als Symbol des Widerstands gegen den Braunkohleabbau. Die Polizei hatte vor einer Woche begonnen, rund 50 Baumhäuser von Umweltaktivisten zu räumen.

Mitte Oktober will RWE für den weiteren Braunkohleabbau mit der Rodung von etwa hundert Hektar Wald beginnen. Für den 6. Oktober planen Umweltverbände eine große Demonstration. Sie verlangen ein Rodungsmoratorium, bis die Kohlekommission ihre Vorschläge zur Zukunft der Braunkohleverstromung vorgelegt hat.


Quelle:
epd