Warum Wespen gar nicht so böse sind, wie viele meinen

Das missverstandene Insekt

Ihre Stiche können höllisch wehtun und mitunter lebensgefährlich sein: Wespen zählen zu den unangenehmen Begleitern des Sommers. Insektenexpertin Melanie von Orlow erklärt, wie man am besten mit ihnen umgeht.

Dank Wärme und Trockenheit: Ein gutes Jahr für Wespen / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Dank Wärme und Trockenheit: Ein gutes Jahr für Wespen / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

DOMRADIO.DE: Eigentlich hat es sich ja inzwischen rumgesprochen: Wer die Wespe mit schlagen, pusten und herumfuchteln vertreiben will, wird eher gestochen. Warum ist das so?

Melanie von Orlow (Insektenexpertin Naturschutzbund Deutschland): Ach Gott, es muss nicht immer unbedingt so schlimm sein, wie Sie das jetzt darstellen. Aber in dem Moment, wo ich einer Wespe warme feuchte kohlendioxidhaltige Luft entgegenpuste, mache ich ihr deutlich klar, dass ich sie von dem Tisch oder dem Stuhl unterscheide, den sie gerade umfliegt. Denn eigentlich will sie ja gar nicht zu mir, sondern zu dem Teller, auf dem etwas Leckeres ist. Aber wenn ich ihr zeige, dass ich etwas Lebendes, Atmendes und möglicherweise Gefährliches bin, dann schaffen wir eine schlechte Voraussetzung für das weitere Zusammenleben.

DOMRADIO.DE: Aber ruhig bleiben, wenn sich so eine Wespe auf die Hand oder auf das Gesicht setzt, ist ja nicht so einfach.

von Orlow: Man darf sich durchaus mal zur Wehr setzen. Das ist gar kein Problem. Ich würde sie nur  nicht anpusten. Aber man kann die Wespe durchaus mal wegschieben, das ist schon in Ordnung und es ist auch nicht so, als ob sie dann sofort den Stachel wetzt. Die meisten Stiche gibt es, weil man die Tiere wirklich drückt, weil man drauffasst oder weil man direkt an das Nest geht oder das Nest blockiert. Das sind die einzelnen Situationen, sonst wird man eigentlich von Wespen ziemlich selten gestochen.

DOMRADIO.DE: Die Wespen sind also gar nicht so böse, wie alle immer sagen. In diesem Jahr sind sie aber besonders zahlreich vorhanden. Woran liegt das?

von Orlow: Das Wetter war natürlich toll: Warm, trocken, stabil, keine große Schafskälte Mitte Juni. Das hat dazu geführt, dass alle Nestgründungen, die im März und April losgehen, zum Erfolg geführt wurden. Normalerweise führt das Wetter dazu, dass viele Nester gar nicht zu Völkern werden. Aber das war in diesem Jahr anders.

DOMRADIO.DE: Nun sagen ja viele: Wespen sind so böse und Bienen dagegen so friedlich, die stechen nur ganz selten. Ist das wirklich so, dass Wespen stechfreudiger sind?

von Orlow: Man sagt immer gerne, Wespen seien aggressiv, nur weil sie einen nervös umfliegen. Man vergisst aber dabei, dass diese Tiere erst bei hohen Fluggeschwindigkeiten scharf sehen. Dieses nervöse Umherfliegen heißt nicht "Ich stech‘ dich gleich", sondern es heißt einfach nur "Ich guck dich an" – mehr machen die gar nicht. Aber diese Aggressivität wird natürlich gerne mit schlechten Erinnerungen untermalt.

Wenn mal jemand in so ein Wespennest reintritt oder reinfasst, ist das natürlich ein Alptraumszenario, das wir alle nicht erleben wollen. Aber da erlebt man  die Wespe natürlich von der unangenehmsten Seite. Wespen bauen ihre Nester gerne im Boden oder in irgendwelchen Verschalungen und wenn ich das dann kräftig erschüttere oder sogar reintrete, dann ist da natürlich die Hölle los. Dann habe ich ein Problem. In Bienenester tritt man dagegen ausgesprochen selten, meistens sitzen die nämlich in Kästen und ein Imker ist dahinter, der aufpasst.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade die Nester angesprochen. Was soll man denn machen, wenn man wirklich so ein Wespennest bei sich im Garten entdeckt?

von Orlow: Denn nicht jedes Wespennest, das ich entdeckt habe, heißt sofort Gefahr. Man muss sich erst mal klarmachen, mit vielen Wespennestern, die ich jetzt entdecke, lebe ich schon fast ein halbes Jahr. Denn schon im März und April fängt die Königin an, um zu bauen. Ich weiß zwar jetzt, dass da eine Gefahr ist, aber das heißt noch lange nicht, dass die Gefahr jetzt höher ist als vorher.

Ergo sollte man sich erstmal einen Rat einholen, ob es sinnvoll ist hier zu handeln. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn sich Bauschäden abzeichnen, wenn die Wespen anfangen, die Dämmung rauszutragen oder natürlich wenn ich nachgewiesener Wespenallergiker bin. Da ist es dann vollkommen in Ordnung, sich über einen Schädlingsbekämpfer professionelle Hilfe zu holen, damit das Nest beseitigt wird.

DOMRADIO.DE: Darf man denn eine Wespe überhaupt töten, falls die gar nicht von einem lassen will?

von Orlow: Tatsächlich ist es so, dass alle Wespen, die draußen rumfliegen – auch die, die wir nicht leiden können – grundsätzlich dem allgemeinen Naturschutz unterliegen. Das heißt, ich brauche immer einen vernünftigen Grund, um gegen diese Arten vorzugehen.

Wenn es zum Beispiel die Hornisse ist, muss ich den Grund sogar einer Behörde vorlegen, damit die mir das dann genehmigt. Bei der Wespe kann ich das mit dem berühmten gesunden Menschenverstand selber entscheiden. Und wenn ich da keine Erfahrung habe, dann ist es umso wichtiger, sich erstmal beraten zu lassen, damit man weiß, ob es wirklich notwendig ist dagegen vorzugehen.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn irgendein Wundermittel, damit es gar nicht zu einer Begegnung kommt. Viele empfehlen brennendes Kaffeepulver, Basilikum oder ein Abwehrspray. Was halten Sie davon?

von Orlow: Das haben wir alles tatsächlich mal getestet. Im Tiergarten mit aufgebotenen Tischen und einem Fernsehsender zusammen. Und ich kann aus dieser Erfahrung heraus sagen, es bringt einfach alles nichts. Außer, dass man selber nicht mehr an dem Tisch essen will, an dem man gerade Kaffeepulver verbrannt hat. Es bringt alles nicht viel. Die Wespe riecht etwas Leckeres auf dem Teller. Das will sie und da kann man noch so viele Gerüche drüber machen, die Nase der Wespen ist da einfach besser als unsere.

Das Interview führte Julia Reck.


Quelle:
DR