WWF über Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung

Längst nicht alles für die Tonne

Ein Drittel aller in Deutschland produzierten Lebensmittel wandert jedes Jahr in die Mülltonne. Gegen diesen Missstand hat der WWF den 2. Mai zum "Tag der Lebensmittelverschwendung" ausgerufen. Und verfolgt damit ein hehres Ziel.

Lebensmittel in einer Mülltonne / © Patrick Pleul (dpa)
Lebensmittel in einer Mülltonne / © Patrick Pleul ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Bundesregierung hat angekündigt, die Lebensmittelverluste bis 2030 zu halbieren. Tut sich denn da überhaupt etwas in der Sache?

Tanja Dräger de Teran (Referentin für nachhaltige Landnutzung, Klimaschutz und Ernährung beim WWF): Ja, wir haben das sehr hehre politische Ziel, 50 Prozent der Lebensmittelverluste bis 2030 zu reduzieren. Das ist nicht mehr lange hin. Aber bislang gibt es keine verbindlichen Maßnahmen, keine verbindlichen Ziele. Es sind alles Freiwilligkeiten, die bisher noch nicht sichtbar gemacht haben, was wir erreicht haben. Wir fordern, dass es tatsächlich eine nationale Pflicht gibt, die alle Akteure in die Pflicht nimmt – von der landwirtschaftlichen Produktion über den Lebensmittelhandel und die Lebensmittelindustrie bis hin zum Einzelhandel. Wo jeder angehalten wird, seinen Anteil dazu beizutragen, Lebensmittel zu reduzieren.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, jährlich werden 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet, nur um die darauf angebauten Produkte wieder wegzuwerfen. Wie kann man das verstehen?

Dräger de Teran: Man muss sich vorstellen, die Zutaten für jedes Lebensmittel wie Getreide werden ja irgendwo angebaut. Tiere werden gehalten und müssen gefüttert werden. All das benötigt Fläche. Und wenn man umrechnet, was insgesamt pro Jahr weggeschmissen wird - angefangen bei der Landwirtschaft über den Handel bis hin zur Gastronomie - und welche landwirtschaftliche Fläche dafür benötigt wird, dann kommt man auf  2,6 Millionen Hektar. Eine Fläche so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die gesamte Fläche von Mecklenburg wird angebaut und dann auf dem Weg irgendwo entlang der Wertschätzungskette weggeschmissen.

DOMRADIO.DE: Welchen Anteil machen denn bei der Lebensmittelverschwendung wir Endverbraucher aus?

Dräger de Teran: Nach unseren Berechnungen machen die Privathaushalte etwa 40 Prozent aus. 60 Prozent sind in der Vorkette angesiedelt - also bei der Landwirtschaft, beim Handel, bei der Lebensmittelindustrie und zum großen Teil im sogenannten "Außer Haus-Verbrauch": Das sind Gastronomie, Hotels, Kantinen - alles, wo man außer Haus Essen zu sich nimmt.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, man kann schon heute - ohne den Einsatz neuer Technologien - Millionen Tonnen Lebensmittelverluste vermeiden. Wie kann das gehen?

Dräger de Teran: Es kommt darauf an, wohin man schaut. Bei der Landwirtschaft ist es oft der Handel, der in den Blick genommen werden sollte. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die festgestellt hat, dass bis zu 35 Prozent der Bio-Speisekartoffeln aussortiert werden, weil sie häufig den Qualitätstandards des Handels nicht mehr entsprechen. Und zwar häufig wegen optischer Normen, also zu groß, zu klein, Schale mit Schorf. Sie sind eigentlich genießbar, aber sie werden aussortiert, weil sie nicht den Normen entsprechen. In der Gastronomie zum Beispiel wäre es einfach, durch angepasste Angebote Lebensmittelverluste zu vermeiden, etwa durch verschiedene Portionsgrößen, durch eine andere Bestückung des Buffets. Durch solche Maßnahmen kann man signifikant Lebensmittelverluste reduzieren. 

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie konkret? Von der Politik, aber auch den anderen Verantwortlichen?

Dräger de Teran: Die Untersuchungen haben gezeigt, der erste Schritt ist, sich als Gastronom im Handel oder im Privathaushalt bewusst zu machen, was eigentlich an Lebensmittelverlusten anfällt und warum; sich bewusst zu machen, was das pro Kopf, pro Monat, pro Jahr ausmacht. Das ist der erste Schritt, zu sensibilisieren. Und dann folgen in der Regel auch Maßnahmen. Wenn man zum Beispiel eine Großküche im Hotel anschaut: Da weiß der Koch, was bei ihm in der Küche anfällt. Er hat aber vielleicht nicht den Überblick, was am Buffet übrig bleibt oder was an Teller-Rückläufen kommt. Der erste Schritt ist die Erfassung der Daten.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR
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