Bienen mausern sich zum heimlichen Lieblingstier

Auch Bischöfe ernten eigenen Honig

Deutschland imkert. Noch nie haben so viele Menschen selbst Bienenstöcke gehalten. Auch der Kölner Kardinal Woelki hat welche. Dabei geht es den meisten nicht allein um Honig. Die Biene ist längst auch zu einem Symbol geworden.

Autor/in:
Paula Konersmann
 (DR)

Vor fünf Jahren räumte der Dokumentarfilm "More than Honey" zahlreiche Preise ab, im vergangenen Jahr wurde kein Roman in Deutschland häufiger verkauft als "Die Geschichte der Bienen" von Maja Lunde. Bienen haben sich gemausert: von einem nützlichen Insekt, das im schlechtesten Fall mit Wespen verwechselt wurde, zu einem heimlichen Lieblingstier vieler Deutscher. Immer mehr Privatleute halten Bienenstöcke im Garten. Der Bundestag und mancher Bischof, wie der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, ernten eigenen Honig.

Die Imkerei gibt es, seitdem die Menschen sesshaft geworden sind. Über Jahrtausende standen dabei die Honig- und Wachsgewinnung im Vordergrund. Heute ist das Imkern vor allem eine faszinierende Freizeitbeschäftigung - aber nicht nur. Seit 2007 beobachtet der Deutsche Imkerbund einen Aufwärtstrend.

"Damals gab es viele Berichte über hohe Bienenverluste in den USA", erklärt Sprecherin Petra Friedrich. "Das hat die Menschen sehr sensibilisiert." Auch eine allgemeine Begeisterung für Naturthemen und Freizeitaktivitäten im Freien passten gut zum Imkertrend.

Aromatischer Stadthonig

Laut einer Analyse der Universität Hohenheim imkern mehr Männer als Frauen; der Frauenanteil wächst jedoch. "Viele von ihnen haben sich erst in den vergangenen Jahren, meist im mittleren Alter, einem Imkerverein angeschlossen", teilte kürzlich die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Projektträger mit. Auch konzentrierten sich Imker in der Nähe von Städten. Stadthonig gilt unter Experten wegen der Artenvielfalt als besonders aromatisch.

Die Bienenstöcke von Siegfried Stichnote stehen im rheinland-pfälzischen Remagen. Er ist über seinen Vater zum Imkern gekommen - das er zunächst unterschätzt habe, wie er erzählt.

"Anfangs dachte ich, oh, ein nettes Hobby. Die Bienen machen weniger Arbeit als andere Tiere, und man bekommt ein bisschen Honig." Tatsächlich erfordere die Betreuung seiner acht Bienenvölker durchaus Zeit, sagt Stichnote, der im Hauptberuf Mechatronik-Ingenieur ist: das Instandhalten der Stöcke, Vorbereitung und Ernte, Weiterbildungen zu alternativen Behandlungsmethoden.

Der Mittdreißiger befasst sich zudem viel mit den Hintergründen für das Bienensterben. Neben der Varroamilbe, die als Hauptursache gilt, beklagt er vor allem Einflüsse durch chemischen Pflanzenschutz.

"Samstags kann man das regelrecht beobachten: An diesem Tag versprühen die Menschen die meisten Insektizide - und an diesem Tag sterben die meisten Bienen", sagt er. Auch Auswirkungen des massiven Ausbaus des Mobilfunknetzes auf Insekten würden nicht ausreichend berücksichtigt, meint Stichnote.

Weltweites Bienensterben

Weltweit sterben seit Jahren ganze Stämme von Honigbienen. Experten warnen davor, dass die Art in wenigen Jahren ausgestorben sein könnte. Ein Drittel der essbaren Pflanzen, aber auch Futtermittel für Nutztiere und pflanzliche Rohstoffe wären ohne Bienen in Gefahr.

Bienen spielen für die Bestäubung von Obst und Gemüse eine wichtige Rolle. In Japan experimentieren Forscher bereits mit Drohnen, die diese Aufgabe übernehmen könnten.

Die Konsequenz ist auch für Menschen nachvollziehbar, die keine erklärten Naturschützer sind: Die volkswirtschaftliche Leistung der Imkerei in Deutschland beträgt den Hohenheimer Agrarökonomen zufolge jährlich etwa 1,7 Milliarden Euro. Es geht also auch um Arbeitsplätze. Imkerei und Landwirtschaft sollten sich künftig noch stärker vernetzen und gezielte Bestäubungspläne erstellen, raten die Forscher.

Wer sich für die Imkerei interessiert, dem rät der Imkerbund, zunächst Kontakt zu einem erfahrenen Imker oder einem Verein aufzunehmen. "Erstmal sollte man schauen: Ist das etwas für mich, bin ich womöglich allergisch gegen Bienenstiche", rät Sprecherin Friedrich. Eine Prüfung, die dem Erwerb des Jagd- oder Angelscheins entspricht, gibt es für Imker nicht. Ein Anfängerkurs sei trotzdem unbedingt notwendig, betont Friedrich. "Imker sind sowohl Tierhalter als auch Lebensmittelproduzenten, brauchen also ein großes Spektrum an Kenntnissen." Bevor Bienenstöcke im Garten aufgestellt werden, sollte zudem die Nachbarschaft informiert werden: Wer das versäumt, riskiert im schlimmsten Fall eine rechtliche Auseinandersetzung.

Hobbyimker Stichnote rät zudem jedem Anfänger dazu, sich selbst zu fragen, worum es einem geht: "Möchte man den Bienen helfen? Die Natur kennenlernen? Oder vor allem eigenen Honig ernten?" Bei letzterem dürfe der Mensch nicht zu gierig sein. Er selbst entnehme nur so viel Honig, wie "übrig" bleibe. "Die Bienen verlernen den Umgang mit dem Honig, wenn man ihnen nur noch Zuckerwasser gibt." Um sich mit der Natur auseinanderzusetzen, sei Imkerei jedenfalls ein geeignetes Hobby, meint Stichnote. "Der Einfluss der Witterung, die Frage, welche Pflanzen wann und wo blühen, Anzeichen für Wetterumschwünge - all das lässt sich mit Bienen hervorragend beobachten."

Bienenpatenschaften

Allerdings muss nicht jeder Imker werden, um etwas für Bienen zu tun. "Jeder kann im Garten, auf dem Balkon oder der Terrasse bienenfreundliche Pflanzen verwenden", sagt Friedrich. Blumen auf dem Rasen nicht sofort abmähen, chemische Pflanzenschutzmittel meiden, hohle Stängel und Baumscheiben als Nisthilfen anbieten: Das hilft nicht nur Honig-, sondern auch Wildbienen. Von den rund 560 Arten, die es in Deutschland einmal gab, ist inzwischen die Hälfte bedroht oder bereits ausgestorben.

Wer mehr tun möchte, für den könnte eine Bienenpatenschaft interessant sein. Diese bietet das Start-Up "BEEsharing" an. Ab 279 Euro pro Jahr können Privatleute einsteigen, Gruppen und Unternehmen ab 1.000 Euro. Damit unterstützen sie dann Imker und Projekte zum Bienenschutz. Derzeit versucht "BEEsharing" zudem, über Crowdfunding einen sogenannten Bienenbildungscontainer in Hamburg zu finanzieren: Eine Million Bienen sollen dort im Sommer leben.

Der Bestseller "Die Geschichte der Bienen" entwirft ein Szenario für das Jahr 2098, in dem die Bienen ausgestorben sind. Das befürchtet Siegfried Stichnote nicht. Aber: "Die Bienen werden sich zurückziehen, um neben all den Monokulturen und gespritzten Pflanzen noch Nahrung zu finden." Er wirbt für eine stärkere Vernetzung von Imkern und Bienenfreunden: "Wir müssen lernen, die Bienen wirklich zu verstehen."


Quelle:
KNA