Bischof Wiesemann zum Gebetstag zur Bewahrung der Schöpfung

"Erde nicht als ein Rohstofflager ausnutzen"

Die katholische Kirche begeht an diesem Freitag zum dritten Mal den von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung. Was dahinter steht, erklärt Bischof Karl-Heinz Wiesemann im Interview.

Caritas Internationalis will "die Schöpfung beachten" (dpa)
Caritas Internationalis will "die Schöpfung beachten" / ( dpa )

domradio.de: Wofür braucht es einen Gebetstag zur Bewahrung der Schöpfung?

Karl-Heinz Wiesemann (Bischof von Speyer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland): Wenn wir uns umsehen, sehen wir fast täglich, wie unsere Schöpfung bedroht ist, wie wir Menschen damit umgehen. So kommen wir nicht um den Gedanken an Nachhaltigkeit und Verantwortung für die nächsten Generationen herum. Das wird zukunftsbestimmend sein.

domradio.de: Sieht das wirklich jeder?

Wiesemann: Das geht natürlich nur, wenn man ein grundsätzliches Gefühl der Dankbarkeit gegenüber der Schöpfung verspürt und die Erde nicht nur als ein Rohstofflager für unsere Bedürfnisse sieht. Wenn wir also das Walten Gottes sehen und dem Schöpfer dafür dankbar sind; wenn wir wissen, dass wir hier etwas empfangen haben, das wir auch weitergeben müssen, dann merken wir, dass wir etwas in der Hand haben, das wir nicht einfach beliebig gestalten dürfen und können.

domradio.de: Warum feiern wir den Tag gemeinsam mit der orthodoxen Kirche?

Wiesemann: Mit dem Datum richtet sich Franziskus nach dem Vorbild der orthodoxen Kirchen, die einen solchen Gebetstag für die Schöpfung bereits seit rund 15 Jahren begehen. Dadurch ist eine orthodoxe Initiative in die Ökumene gekommen. Tatsächlich ruft auch der Ökumenische Rat der Kirchen schon seit einigen Jahren dazu auf, zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober "eine Zeit der Schöpfung abzuhalten". Die gemeinsam vereinbarte Schöpfungszeit beginnt also am 1. September beginnt und endet im Oktober – zum Erntedankfest.

domradio.de: Die Bewahrung der Schöpfung ist eines der zentralen Themen des Papstes. Wie sehr war die Enzyklika "Laudato Si'", die er 2015 veröffentlichte, eine Kehrtwende in der katholischen Kirche?

Wiesemann: Es gibt sicherlich eine Tendenz, sich für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Als katholische Kirche und auch im ökumenischen Dialog sind wir auch schon länger dabei. Aber, dass Franziskus als Papst auf diese globale Problematik in so eindringlicher Weise hingewiesen hat und diesem Thema dieses bedeutende Schreiben gewidmet hat, das ist schon etwas Besonderes. Auch der ausgerufene Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung ist ein bedeutendes Zeichen.

domradio.de: Sie sagen: "Die Schöpfung kann und darf uns nicht gleichgültig sein!" Im Prinzip wissen wir das alle, trotzdem leben die meisten Menschen so, als wäre es ihnen egal, wenn sie zum Beispiel dicke Autos fahren oder Unmengen Müll produzieren. Warum verdrängen so viele das Problem?

Wiesemann: Wir dürfen auch nicht als "Moralapostel" auftreten. Das würde wahrscheinlich das Falsche bewirken.

domradio.de: Sondern?

Wiesemann: Wichtig ist natürlich, dass wir durch so einen Tag das Bewusstsein für die Schöpfung prägen. Es geht uns schon um die kleinen Dinge. Vielleicht kann man sich einfach jeden Tag immer wieder Fragen stellen. Zum Beispiel: "Muss ich viel Fleisch essen und dadurch zu dem exorbitanten Fleischverbauch beitragen?" Oder: "Brauche ich das jetzt, muss ich das alles verbrauchen oder nicht?" Auch diese kleinen Dinge haben einen Wert. Und es geht nicht darum, ein frohes Leben zu verdrießen. Man soll ja auch die guten Dinge der Schöpfung genießen können.

domradio.de: Es sind aber auch schon die großen Player gefragt oder nur wir Verbraucher?

Wiesemann: Insgesamt geht es natürlich auch um die großen globalen Zusammenhänge. Da müssen wir einfach wirklich sagen, dass so etwas wie ein Klimaschutzabkommen durchgesetzt werden sollte und nicht nationaleigene Interessen im Vordergrund stehen dürfen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Jugendbischof Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz (KNA)
Jugendbischof Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR