Kardinal Marx mit hohen Erwartungen an Klimagipfel in Paris

Drei-Punkte-Plan für das Klima

Zwei-Grad-Regel, Abgeltung der Klimaschulden der reichen Länder und Umstellung auf erneuerbare Energien: Reinhard Kardinal Marx stellt die zentralen Forderungen der Kirche an den Klimagipfel in Paris vor. Sein Fazit: Es gebe keine Alternative.

Klimawandel (dpa)
Klimawandel / ( dpa )

domradio.de: Was sind die zentralen Forderungen der Kirche an die Staats- und Regierungschefs auf dem Klimagipfel in Paris kommende Woche?

Reinhard Kardinal Marx (Erzbischof von München-Freising und Vorsitzender der Deutschen und der Europäischen Bischofskonferenz): Es gibt einen großen Konsens, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Es geht nun vor allen Dingen darum, dass dieser Prozess umgekehrt oder zumindest gebremst wird. Wir haben da noch nie eine so große Einmütigkeit gehabt. Die katholische Kirche ist ja tatsächlich durch die päpstliche Enzyklika "Laudato Si" und durch die Aufmerksamkeit, die Papst Franziskus damit gefunden hat, fast an die Spitze der Klimabewegung getreten.

Wir haben auch seitens der Bischofskonferenzen Forderungen aufgestellt: Das geht einmal in die Richtung "Zwei Grad", also der Forderung, dass die Erwärmung nicht über zwei Grad erfolgen darf, dass alles getan werden muss, um hier einen Bremsen hinzubekommen.

Ein weiterer Punkt ist die differenzierte Verantwortlichkeit: Diejenigen, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben, also die reichen, die entwickelten Länder, müssen natürlich auch mehr tun. Das ist die Einsicht, dass es hier ökologische Schulden gibt, die abgearbeitet werden müssen. Das sind zentrale Äußerungen in den Erklärungen der Bischofskonferenzen der Kontinente und auch von "Laudato Si". Auch wir als Comece schließen uns da an. Wir arbeiten da auch mit der evangelischen Kirche zusammen.

Es geht auch um die Dekarbonisierung, d.h. darum, die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Diese Zielperspektive wird die Klimakonferenz hoffentlich verbindlich festlegen. Und das muss dann weiter umgesetzt werden in bilateralen Abkommen.

domradio.de: Wie kann so etwas gelingen in Paris bei Teilnehmern aus 196 Ländern mit jeweils eigenen Interessen?

Marx: Wir müssen uns zusammenraufen, was ist die Alternative? Der Augenblick ist sehr günstig, weil das Bewusstsein tatsächlich in den letzten Jahren gewachsen ist. Klima ist ein allgemeines Gut. Das gehört nicht irgendeinem Land, das gehört der ganzen Menschheit, also muss auch die Verantwortlichkeit auf alle Völker bezogen werden. Das wird nicht trotzdem nicht einfach sein. Wir haben ja in den letzten Jahrzehnten genügend Konferenzen dieser Art gehabt, manche sind vorangeschritten, manche stagnierten. Aber jetzt ist die große Chance da!

Man wird von einer Konferenz keine Wunder erwarten, aber doch die Einsicht, dass wir nicht am Status quo einfach festhalten dürfen, sondern Schritte nach vorne gehen müssen: Dekarbonisierung, Zwei-Grad-Ziel, differenzierte Verantwortlichkeit und klare Ausrichtung auf das Ziel, die Erderwärmung zu begrenzen. Das muss jetzt ein gemeinsamer Konsens werden! Und ich glaube, dass das möglich ist mit der momentan großen Schubwirkung. In den Zivilgesellschaften in allen Ländern und eben auch bei den politisch Verantwortlichen ist das nötige Bewusstsein erheblich stärker vorhanden, als das noch vor zehn Jahren der Fall war.

domradio.de: Werden die Politiker den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration hinreichend berücksichtigen?

Marx: Ob hinreichend, weiß ich nicht. Aber viele Politiker wissen, was los ist. Sie ahnen, dass da noch ganz andere Flüchtlingsbewegungen auf uns zu kommen können. Das weiß ich aus vielen Gesprächen. Der Papst hat es ja in seiner Enzyklika auch sehr deutlich gesagt: Menschen werden fliehen, weil die Lebensumstände durch die Umwelt so zerstört sind, dass sie keine Zukunft haben, dass sie praktisch auch einen Asylgrund haben. Auch da müsste es eigentlich im Eigeninteresse auch der wohlhabenden Länder sein, den Klimawandel zu stoppen, soweit das Menschen überhaupt tun können. Aber wir haben Möglichkeiten, wir können etwas tun, und es liegt nicht nur im Interesse der anderen, sondern auch in unserem Interesse, dass hier Lebensmöglichkeiten von Menschen gewahrt und nicht zerstört werden.

domradio.de: Was tut denn die katholische Kirche ganz konkret für den Klimaschutz?

Marx: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Bewusstseinsbildung, das sollte man nicht unterschätzen. Wir haben im Papst eine weltweit gehörte Stimme, wie keine andere Organisation, keine Weltanschauung, keine Partei. "Laudato Si" hat eine solche Auswirkung gehabt auf viele Bereiche, auch auf das Leben der Kirche, aber eben auch gerade in Bereiche hinein, die gar nicht mal der Kirche verbunden sind. Viele Politiker und gesellschaftliche Initiativen haben mir gesagt, das sei genau die Richtung, die wir gehen müssen.

Wir als Kirche müssen dann natürlich in jedem Land das auch umsetzen. Bei uns ist es selbstverständlich, dass wir Umweltbeauftragte haben, dass wir schauen, ob unsere Maßnahmen im Sinne einer Nachhaltigkeit sind. Ob unsere Baumaßnahmen wirklich auch energieschonend sind. All das wird ja mit großer Intensität getan und muss auch weiter getan werden. Und wir sollten auch weltweit durch unsere Hilfswerke und Unterstützungsmaßnahmen anderen Länder helfen, dass dieses Bewusstsein und diese Standards der Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und der Klimaverträglichkeit, in den jeweiligen Bistümern wahrgenommen werden.

Also, wir tun schon eine Menge, aber wahrscheinlich kann man immer noch mehr tun.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Reinhard Kardinal Marx / © Romano Siciliani (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR