Das Institut für Theologische Zoologie in Münster wird fünf Jahre alt

Theologie mit dem Gesicht zum Tier

Das Institut für Theologische Zoologie in Münster feiert Jubiläum. Seit fünf Jahren engagieren sich die Mitarbeiter für eine Theologie, die gerade auch die Tiere als Mitgeschöpfe in den Blick nimmt. Rainer Hagencord, katholischer Priester und Zoologe, zieht Bilanz.

Tierschutz (dpa)
Tierschutz / ( dpa )

domradio.de: Fühlen Sie sich mit Ihrem Institut nun nach fünf Jahren ernst genommen?

Hagencord: Wir sind mittlerweile weg von dem Nimbus, dass es sich bei unserem Institut um etwas Exotisches oder Orchideenhaftes handelt, weil der Begriff Theologische Zoologie ja alle möglichen Assoziationen auslöst. Inzwischen ist es so, dass wir Anfragen erhalten von Hochschulen, Lehrern, Menschen die in der Katechese unterwegs sind und solchen, die sich in Umweltschutzverbänden einsetzen. Menschen, die sich für einen anderen, würdevolleren Umgang mit den Tieren einsetzen. Unsere Arbeit wird als wissenschaftlich fundierter Beitrag geschätzt, um einen Bewusstseinswandel herbeizuführen. Das erfreut mich außerordentlich.

domradio.de: Haben Sie einen Geburtstagswunsch?

Hagencord: Ja. Noch haben wir ganz viel ehrenamtliches Engagement, und es fehlt letztlich eine feste strukturelle Anbindung an Hochschule oder Bistum.

domradio.de: Konnten Sie denn in diesen fünf Jahren Bewusstseinsveränderungen erreichen?

Hagencord: Wir nehmen die genannten Anfragen wahr. Wir merken, dass der Umgang mit Tieren bei immer mehr Menschen und auch Institutionen kein Nebenthema mehr ist. Es wird mittlerweile immer öfter verstanden, dass es mehr braucht, als eine Protestkultur oder ein Achselzucken und zur Kenntnis nehmen. Es braucht theologische Argumente, die auch interdisziplinär an die Menschen herangetragen werden. Um inmitten der ökologischen Katastrophe vielleicht noch das Ruder herumzureißen. Das nehme ich sehr wohl wahr. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht die Themen Tiere, Umgang mit Tieren und Artenschutz Thema sind.

domradio.de: Welches Thema liegt Ihnen denn besonders am Herzen?

Hagencord: Das Thema hat ja eine große Tiefendimension. Philosophiegeschichtlich und theologiegeschichtlich sind die Tiere und die Natur als Ort der Gottesserfahrung im Grunde aus dem Blick verloren. Es hat sich ein Menschenbild breitgemacht, das sich als christlich versteht, in dem der Mensch außerhalb der Schöpfung steht. Und die Schöpfung besteht dann aus Sonne, Mond und Sternen, und auf die kann man dann achten, wenn man es denn will. Das geht bis hin zu den Fragen der Beseeltheit! Da herrscht auch so etwas vor, was man christlich nennt, was aber letztlich gar nicht biblisch ist. Das heißt, die Tiefendimension führt mich in eine grundsätzlich andere Haltung eines gottsuchenden Menschen und eines Menschen, der eine Spiritualität sucht, in der die Natur wieder erster Ort der Gotteserfahrung wird. Und dann wird all das, was sich davon politisch ableitet, nämlich ein anderes Engagement, ein viel tieferer Einsatz für die natürliche Mitwelt, noch viel mehr fundiert.

Ich finde mich dann in guter Gesellschaft mit dem bedeutenden Johann Baptist Metz, dem Begründer der politischen Theologie, mit dem ich im guten Gespräch bin. Der bestärkt mich darin und sagt, hier gehe es wirklich um eine andere Theologie, es gehe nicht nur um eine neue Systematik oder um eine neue Facette der herkömmlichen Theologie, sondern es gehe um eine politische Theologie, die auch mit der Mystik einhergeht. Metz nennt das eine "Mystik der geöffneten Augen", die wahrnimmt, was mit den Mitgeschöpfen passiert. Und die Natur wieder entdeckt und rettet als einen Ort der Gotteserfahrung.

domradio.de: Was sagt die Bibel denn zu unserem Umgang mit Fleisch und Tier

Hagencord: Die Bibel formuliert so etwas, was ich eine "Theologie mit dem Gesicht zum Tier" nenne. Bei den großen Fragen, die die biblischen Autoren und auch uns heute beschäftigen, also, an welchen Gott ich glauben will, wie ich mich selber verstehe und wie ich leben will, tun die Autoren das nicht in der Abwendung von den Tieren und der Natur. Sondern immer mit dem Blick auf die Natur! Bei diesen Fragen werden die Tiere immer mitgedacht. Gott wird dann Liebhaber des Lebens, dem nichts, was er geschaffen hat, aus den Händen fällt.

Der Mensch ist durch die Beseelung mit allem, was lebt, verbunden. Eine Ethik kann nur funktionieren, wenn die Tiere und die Natur mitbedacht werden. Das ist das, was biblische Theologie neu einbringen sollte in die sehr komplexen Zusammenhänge der industriellen Tierhaltung. Aber auch in die Fragen, wie wir als Christen heute leben wollen, was wir einbringen wollen. Wollen wir Prophetisches einbringen? Wollen wir eine andere Lebenskultur etablieren in Gemeinden und kirchlicher Infrastruktur? Das ist dringend an der Reihe!

domradio.de: Was sagt uns Katholiken denn heute noch der fleischlose Freitag?

Hagencord: Der fleischlose Freitag ist eine sehr gute Einrichtung, etabliert ist dagegen eine Fragwürdigkeit. Muss es sein, dass wir jeden Tag Fleisch essen? Und wenn wir Fleisch essen, dann sollte es uns doch mehr wert sein, als das Essen von Brokkoli. Dieser fleischlose Freitag steht wie ein Ausrufezeichen in einem Wochenrhythmus und erinnert an die Fragen: Wovon willst du leben und was ist dir die Ernährung wert? Vielleicht ist nun Verzicht an der Reihe, auch im Blick auf die sogenannte Dritte Welt. Ich finde der fleischlose Freitag ist ein guter Aufhänger, um diese Fragen wieder ins Bewusstsein zu bringen von christlichen Familien, Gemeinden und Gemeinschaften.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR