Sturm "Sandy" bringt Klimawandel in den US-Wahlkampf

Bewahrung der Schöpfung

Barack Obama machte es nicht zum Thema und Mitt Romney auch nicht. Es war "Sandy", die einem nahezu auf das Herunterbeten von Job-Zahlen reduzierten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf in den letzten Tagen eine neue Wendung brachte.

Autor/in:
Ronald D. Gerste
 (DR)

Der gigantische Sturm erinnerte die Amerikaner daran, dass mit dem Wetter in ihren Breiten ebenso wie in anderen Regionen etwas nicht in Ordnung ist. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo erklärte nun: "Einen Jahrhundertsturm haben wir jetzt alle zwei Jahre."



Appell der amerikanischen Bischöfe

Amerikanische Medien haben umgehend, nachdem die von "Sandy" verursachten Fluten allmählich zurückgingen, die globale Erwärmung als ein Bedrohungsszenario wiederentdeckt. Einen Appell formulierten die amerikanischen Bischöfe. Auf der Website der Bischofskonferenz heißt es: "Beim globalen Klimawandel geht es nicht um ökonomische Theorien oder politische Plattformen, nicht um den Vorteil einer Partei oder den Druck von Interessengruppen. Es geht um die Zukunft von Gottes Schöpfung und der einen Familie der Menschen."



Es ist eine der größten Eigentümlichkeiten der amerikanischen Gegenwart, dass in einem hoch technisierten Land mit den besten Universitäten der Welt, innovativen Unternehmen und großen, wenngleich nicht den mythisch unbegrenzten Möglichkeiten der globale Klimawandel fast zu einem Tabu geworden ist. Tief polarisiert wie die politische Landschaft ist, ist er zur Glaubensfrage geworden, wobei Fakten und Zahlen nur selektiv, nur im Sinne der eigenen Meinung zur Kenntnis genommen werden.



Die massive Verleugnung der Existenz einer durch menschliche Emissionen verursachten globalen Erwärmung im konservativen Segment hat zu einer weitreichenden Einschüchterung geführt. Auch Präsident Obama erwähnt den Klimawandel allenfalls randständig, um nicht potenzielle Wähler zu verprellen.



Verflechtungen mit Öl-, Gas- und Kohleindustrie

Ignoranz kann man für diese Verweigerungshaltung beinahe der Hälfte der politischen Klasse nur teilweise als Erklärung heranziehen, Seit Jahren gibt es praktisch keinen republikanischen Senats-, Kongress- oder Präsidentschaftskandidaten mehr, der den Klimawandel als real zu bezeichnen wagt. Dies liegt, so vermuten Beobachter, in starkem Maße an der innigen Verflechtung der Partei mit der "fossilen Industrie".



Die großen Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen unterstützen die Partei und ihre Kandidaten massiv und das nicht nur auf direkte Art. Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer in den USA werden seit Monaten auch von einer Kampagne überrollt, in der Amerikas Reichtum an (nicht-erneuerbarer) Energie hervorgehoben wird. Man müsse nur fördern und bohren (freilich auch in Naturschutzgebieten) und staatliche Einschränkungen aufheben.



Wer Nutznießer dieser getarnten Wahlwerbung ist, steht außer Zweifel: der Kandidat, der deregulieren und die viel zu vielen Vorschriften für die Welt des "Business" abschaffen will. Sein Gegner, Präsident Obama, gilt trotz seiner manchmal zögerlich erscheinenden Haltung in Sachen Emissionsbegrenzung und vor allem aufgrund der von ihm betriebenen massiven Förderung alternativer Energien als Hoffnungsträger jener Amerikaner, für die der Klimawandel Teil der politischen Agenda ist. Der Präsident erscheint diesem Segment der Bevölkerung als die Garantie dafür, dass der Klimaschutz nicht den Wirtschaftsinteressen geopfert wird, sondern benutzt wird, um Teile der Wirtschaft anzukurbeln wie zum Beispiel die Solarindustrie.



Obamas Position hat ihm jetzt auch die Unterstützung des unabhängigen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg eingebracht. Der stellte klipp und klar fest, dass "ein Kandidat den Klimawandel als ein dringendes Problem ansieht, welches unseren Planeten bedroht. Der andere tut dies nicht."