Bonner Stadtdechant ist Delegierter beim Synodalen Weg

"Die Frage ist, ob man nur das Totale will"

Als Delegierter für das Erzbistum Köln nimmt der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken am Synodalen Weg teil. Er warnt vor zu großer Erwartungshaltung an den Reformprozess und vermisst ein weiteres Themenforum auf der Agenda.

Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie wird man Delegierter auf dem Synodalen Weg?

Pfarrer Dr. Wolfgang Picken (Bonner Stadtdechant und Delegierter des Erzbistums Köln auf dem Synodalen Weg): Die Struktur des Synodalen Wegs sieht vor, dass aus jedem Priesterrat der deutschen Diözesen eine Person gewählt wird. Und der Priesterrat der Erzdiözese Köln hat sich für mich entschieden und so gehöre ich eben zu den Delegierten.

DOMRADIO.DE: Was kommt da auf Sie zu? Wissen Sie schon, was Sie da machen müssen?

Picken: Ganz genau weiß man es nicht. Es ist ja ein Weg, der auf zwei Jahre angelegt ist. Es wird während der gesamten Synode vier große Hauptversammlungen geben. Die Synode wird sich dann in den Zeiten zwischen den großen Versammlungen in sogenannten Foren treffen und sich mit den vier Themen Frauenordination, Zölibat, Hierarchie in der Kirche und Sexualität auseinandersetzen, die auf der Tagesordnung stehen.

Wahrscheinlich muss man bei der ersten Vollversammlung Ende dieses Monats erst einmal sehen, wer eigentlich ein Mitglied der Synode ist und was das ZdK (Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Anm. d. Red.) und die Deutsche Bischofskonferenz mit diesem gemeinsamen Weg beabsichtigen. Die Leute müssen sich untereinander kennenlernen und sich danach orientieren, auf welches Thema man sich persönlich einlässt.

DOMRADIO.DE: Sie haben einmal gesagt, dass die Gemeinden vor Ort ihren pastoralen Alltag so gestalten sollen, dass sie lebendig bleiben und dass sie wachsen können. Wie kann das denn konkret aussehen?

Picken: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die deutsche Kirche klarmacht, dass sie sich mit aktuellen Fragestellungen auseinandersetzt. Deshalb sind auch diese vier Themen ausgewählt und werden auf den Weg gebracht.

Ich habe aber trotzdem ein wenig den Verdacht, dass es mit diesen vier Themen allein nicht ausreichen wird, Kirche und auch den christlichen Glauben in unserer Gesellschaft zu etablieren. Wir bewegen uns hier sehr stark im Bereich von Themen, die sich mehr mit innerkirchlichen Fragen beschäftigen. Wie wir aber den Kontakt zur Gesellschaft herstellen und herausfiltern, was die gesellschaftsrelevanten Fragen sind und wie wir darauf antworten oder wie sich der Mensch verändert hat und wie sich Kirche verändern muss, damit diese Menschen, mit denen wir heute konfrontiert sind, sich in Kirche wiederfinden, ist mit den vier Themen Frauenordination, Zölibat, Hierarchie in der Kirche und Sexualität alleine nicht getan.

Die Gemeinden suchen nach pastoralen Konzepten. Wie bauen wir Gemeinde auf? Wie kann sie lebendig sein? Ich hoffe, dass die Synode sich auch diesen Fragen noch öffnet und vielleicht auch andere Themen mit auf die Tagesordnung setzt als nur diese vier.

DOMRADIO.DE: Für viele Außenstehende hängen viele dieser Themen aber auch zusammen. Beispielsweise, dass es an katholischen Priestern fehlt, die mit der Gemeinde die Eucharistie feiern können. Wenn man nun den Zölibat freiwillig machen würde, könnte das nicht bedeuten, dass mehr junge Männer Priester werden möchten?

Picken: Das ist eine These, die seit langem im Raum steht. Wir sehen in der evangelischen Kirche, dass die Hoffnung, dass sich die Nachwuchszahlen damit erhöhen, nicht wirklich erfüllt wird.

Wir müssen immer fragen, aus welchen Kreisen denn geistliche Berufungen entstehen. Wenn der Anteil junger Leute dabei immer geringer wird, ist es auch nicht verwunderlich, dass der Anteil derer, die sich für das Priestertum berufen fühlen, geringer wird. Aber trotzdem muss man darüber nachdenken, welche Lebensform heute und grundsätzlich dem Priestertum angemessen ist.

Deshalb ist es auch gut, dass wir über den Zölibat reden. Denn wenn der Zölibat, also die Ehelosigkeit für die Aufgabe, die wir als Priester leben, nicht mehr verstanden wird, wäre zumindest erst einmal ein solcher Synodaler Weg eine Möglichkeit, noch einmal neu zu verstehen, weshalb das überhaupt passiert. Und dann muss man sich die Frage stellen, ob es noch zeitgemäß ist.

Aber etwas anderes will ich noch anfügen. Wir müssen aufpassen, dass wir die Zukunftsfrage der Kirche nicht klerikalisieren - also als ob die Lebendigkeit der Kirche davon abhinge, dass es Priester oder Nicht-Priester gibt. Von dieser Vorstellung müssen wir uns als erstes verabschieden. Die Kirche wird zukünftig lebendig, wenn jeder einzelne Laie lebendig seinen Glauben lebt. Wenn wir auch als Gemeinschaft in Erscheinung treten, die nicht von einem Priester geleitet wird, sondern die sich aus dem Geist Gottes frei zusammenfindet, sich inspirieren lässt und dann in die Gesellschaft hineinwirkt.

Dieses Abwarten darauf, ob es einen Priester gibt und wie er führen und leiten wird, ist, glaube ich, auch eine Fehlsicht auf Kirche. Das ist eine Fixierung auf das Priestertum, die uns nicht guttut.

DOMRADIO.DE: Aber es ist natürlich so, dass viele Menschen den Synodalen Weg mit den Themen Zölibat und Frauenweihe beobachten. Wie kann man denn dafür sorgen, dass man nicht sehenden Auges Enttäuschungen produziert? Die Erwartungen sind beispielsweise sehr groß in Richtung Zölibat. Aber eigentlich gibt es von den Vorgaben her kaum Spielraum.

Picken: Das ist in der Tat ein großes Problem. Wie viel Druck will man möglicherweise mit einer solchen Synode erzeugen? Wie viele Enttäuschungen produziert man im Vorhinein? Es wird sehr darauf ankommen, was es denn für Kompromissversionen gibt, die von den Extrempositionen abweichen und trotzdem deutlich machen, dass die Kirche auf dem Weg ist.

Sollte sich beispielsweise Frauenordination nicht realisieren lassen, stellt sich dann die Frage, wo Frauen einen gleichberechtigten Anteil an kirchlicher Leitung entwickeln können, auch unabhängig von der Frage, ob sie ein Weiheamt haben. Wie integrieren wir Frauen stärker? Wie machen wir deutlich, dass die Unterscheidung, die das Weiheamt trifft, keine Unterscheidung in der Wertigkeit von Frauen innerhalb der Kirche ist? Da gibt es, denke ich, ganz viele Variationen, die möglich sind.

Die Frage ist, ob man diese Variationsmöglichkeiten ausschöpft oder nur das Totale will. Da muss die Synode, glaube ich, sehr vorsichtig sein, dass sie neben den extremen Erwartungen und Positionen auch vermittelnde Aspekte entwickelt, die helfen zu sehen, dass die Kirche - wenn sie sich auch nicht direkt komplett sich um 180 Grad wendet - in Bewegung und im Veränderungsprozess ist. Das wird sich daran festmachen, ob man auch konkrete Schritte anbietet. Beispielsweise wie Frauen merken, dass sie ernst genommen und integriert werden und ein Teil der Kirchenleitung werden.

In unserem Bistum gibt es mittlerweile viele Leitungspositionen, die unser Bischof im Generalvikariat verankert hat und die mit Frauen besetzt sind. Das sind Dinge, die wichtig und notwendig sind, die aber nicht dem Zufall überlassen werden dürfen, sondern konkret immer wieder im Blick behalten werden müssen.

DOMRADIO.DE: Die Bewegung, über die Sie beim Synodalen Weg sprechen, kann man jetzt schon in der Praxis spüren. Auch bei Ihnen im Stadtdekanat Bonn?

Picken: Ich glaube, wenn die Kirche wach unterwegs ist, kann sie an all diesen Themen, die gegenwärtig auf der Tagesordnung stehen, nicht vorbeigehen.

Ich würde überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, nur noch ein Team aus Männern zusammenzustellen. Das habe ich vorher auch in Bad Godesberg schon nicht gemacht. Es ist selbstverständlich, dass ich Frauen im Team haben will - und sei es nur, weil es für mich wichtig ist, Frauen auf eine andere Weise zu verstehen, als ich sie wahrscheinlich verstehe. Es geht darum, bestimmte Kompetenzen mit einzubinden oder eben auch wahrzunehmen, dass es eine große Bereicherung darstellt, wenn man in einem Team nicht nur in unterschiedlichen Geschlechtsfunktionen und Geschlechterrollen, sondern auch unterschiedlichen Berufen zusammenkommt.

Das kann eigentlich die Wirkkraft, die Dynamik und die Vielfalt der Kirche nur erhöhen. Das ist ein Potenzial. Jede Gemeinde, die das Potenzial nicht in den Blick nimmt, arbeitet auf den Abbruch und den Untergang zu.

Das Interview führte Heike Sicconi.

 

Quelle:
DR
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