Vor 475 Jahre wurde die Kongregation der Inquisition gegründet

Vom Scheiterhaufen zum Schweigegebot

Die Kongregation der Inquisition ist die älteste Behörde des Heiligen Stuhls. Seit ihrer Gründung vor 475 Jahren hat sie eine wechselvolle Geschichte und ständige Weiterentwicklung ihrer Aufgaben erlebt.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Zweites Vatikanisches Konzil (KNA)
Zweites Vatikanisches Konzil / ( KNA )

Sie ist die älteste der neun vatikanischen Kongregationen. Am 21. Juli 1542 unter Papst Paul III. (1534-49) als "Kongregation der Römischen und Universalen Inquisition" gegründet, war sie lange Zeit die oberste, aber auch die am meisten gefürchtete Behörde des Heiligen Stuhls.

Nach der Reformation sollte sie den Glauben rein erhalten, die Kirche vor Irrlehren schützen, gegen Häresien verteidigen, Glaubensverstöße untersuchen und gegebenenfalls bestrafen. Eine Aufgabe, die sich in den folgenden Jahrhunderten weiterentwickelte. Die Umbenennung zum "Heiligen Offizium" 1908 sollte der Behörde ihren Schrecken nehmen. Unter Paul VI. wurde sie am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur "Glaubenskongregation" - mit deutlich verändertem Profil

Mit der Apostolischen Konstitution "Licet ab initio" bildete Paul III. 1542 eine Kommission aus sechs Kardinälen, unter ihnen Giampietro Carafa, der spätere Paul IV. Sie war zunächst eher als ad-hoc-Maßnahme gegen das Vordringen des Protestantismus in Italien gedacht, bevor sie ihren Radius nach Norden ausweitete. Ein Jahr zuvor war das katholisch-protestantische Regensburger Religionsgespräch gescheitert. Es sollte mit friedlichen Mitteln nochmals den endgültigen Bruch verhindern. Aber ein Brückenschlag schien nicht mehr möglich, die Kirchenspaltung irreparabel.

Kampf gegen Irrlehre

Auch wenn im Gründungsdokument noch nicht eigens vom Index die Rede war, wurde das Vorgehen gegen gefährliche Bücher bald zu einem wichtigen Element im Kampf gegen Irrlehren. 1543 verbot die Kongregation die Einfuhr protestantischer Bücher. Der erste Index der für Katholiken verbotenen Bücher wurde 1559 von Paul IV. veröffentlicht.

Unter diesem Papst wurde die Römische Inquisition, die zu Beginn eher milde agiert hatte, strenger. Vom Glaubenstribunal wurde es auch zum Sittentribunal, das gegen moralische Verfehlungen einschritt und häufiger auch die Todesstrafe verhängte. Insgesamt aber urteilte die Römische Inquisition moderater als staatliche Tribunale ihrer Zeit.

Reformkomission benannte Übel der Kirche

Paul III. hatte freilich nicht nur auf Abwehr gesetzt, er verfolgte auf dem Weg der Kirchenreform noch weitere Maßnahmen. Zwar war er noch ein Kind der Renaissance und protegierte in einem unverhohlenen Nepotismus seine Familie. Aber er gehörte auch bereits zu den Wegbereitern der katholischen Reform. Er veränderte das Kardinalskollegium, indem er anstelle von Renaissance-Fürsten verstärkt fromme, gelehrte und reformbemühte Kirchenmänner berief.

1536 errichtete er eine Reformkommission, die in einer Denkschrift freimütig Übel der Kirche benannte.

Ebenfalls 1536 bemühte der Papst sich - vergeblich - um die Einberufung eines Konzils nach Mantua und Vicenza. 1542, fast gleichzeitig mit der Kongregationsgründung, unternahm er einen zweiten Anlauf. Diesmal lud er nach Trient ein; aber erneut ohne Erfolg. Das Konzil trat dort erst drei Jahre später zusammen. Es beriet über Kirchenlehre und Glaubensfragen und wandte sich gegen Missstände auch an der Kirchenspitze. Und es legte in seinem mehrfach unterbrochenen Verlauf sowie in der späteren Umsetzung die Grundlagen für den kirchlichen Reform- und Erneuerungsprozess.

Abschaffung des Index

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) erhielt die einstige Inquisitions-Kongregation nicht nur ihren neuen Namen, sondern auch neue Kompetenzen und eine neue Struktur. Die Kirche setzt zum Schutz des Glaubens seither weniger auf die Abwehr von Häresien, auf Verbote und Schutzmauern gegen Irrlehren. Den Glauben bewahrt man am besten, indem man ihn positiv darlegt, begründet und erklärt, lautet die Linie. So wurde 1966/67 der Index abgeschafft, zumal der Vatikan heutzutage unmöglich alle Publikationen überprüfen kann.

Die Glaubenskongregation achtet weiterhin auf den Schutz des Glaubens und beobachtet theologische Publikationen. Abweichungen sucht sie im Dialog und nach einem inzwischen etwas autorenfreundlicheren Verfahren zu lösen.

An die Stelle von Büßerhemd oder Scheiterhaufen treten heute im Extremfall Schweigegebot oder Lehrentzug. Unterdessen erfolgt die Förderung des Glaubens durch Kongresse und Symposien, und in einer Vielzahl von Dokumenten - seit dem Konzil mehr als 100 - zu allen möglichen theologischen und ethischen Fragen. "Thinktanks" der Kongregation sind die angegliederte Internationale Theologenkommission und die Bibelkommission, die solide Forschungsarbeit leisten.

Piusbrüder und Missbrauch Themen der Glaubenskongregation

Derzeit gehört zu den Themen der Glaubenskongregation etwa die Einigungsbemühen mit den traditionalistischen Piusbrüdern. Aber es geht auch um die Klärung von Erscheinungen und Formen der Volksfrömmigkeit - etwa im herzegowinischen Medjugorie. Neben den Lehrfragen ist die Glaubenskongregation auch für Disziplinar-Vorgänge zuständig. Hier steht seit mehr als einem Jahrzehnt der Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker im traurigen Vordergrund.

Unklar ist unterdessen, ob Papst Franziskus die Glaubenskongregation im gleichen Maße wie seine Vorgänger nutzt. Mitunter zieht er Vorgänge direkt an sich - wie etwa den Fall Medjugorie. Und zu manchen Themen befragt er auch außer-vatikanische Experten, etwa namhafte Theologen aus seiner argentinischen Heimat. Mit Spannung wird jetzt auch beobachtet, wie es weitergeht nach der überraschenden und durchaus spektakulären Ablösung des deutschen Kardinals Gerhard Ludwig Müller an der Spitze der Kongregation durch seinen bisherigen Stellvertreter, den spanischen Jesuiten und Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer.


Blick auf den Petersdom / © Christopher Jelen (Erzbistum Köln)
Quelle:
KNA