Kirchenrechtler über Vatikanhaltung zu wiederverheiratet Geschiedenen

Signalwirkung der Freiburger Initiative

Die Kirche ringt um eine Neupositionierung beim Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen. "Die Freiburger Initiative hat Signalwirkung, dass man daran nicht mehr vorbeigehen will", urteilt der Kirchenrechtler Klaus Lüdicke.

 (DR)

domradio.de: Ein bisschen verwirrend ist das schon - wohin bewegt sich die Kirche, was wiederverheiratet Geschiedene anbetrifft?

Klaus Lüdicke (Professor für Kirchenrecht am kirchlichen Gericht im Bistum Münster): Zunächst einmal ist positiv festzustellen, dass die Kirche sich überhaupt bewegen will. Der Papst hat für das nächste Jahr eine Bischofssynode einberufen, die deutschen Bischöfe haben eine Kommission, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Es ist ein Wille, endlich einmal Bewegung in die Geschichte zu bringen. Wohin es im Ganzen gehen wird - ich vermute in Richtung des Freiburger Papiers. 

domradio.de: Man geht davon aus, dass das Freiburger Papier vom Papst abgesegnet wurde. Gleichzeitig geht man auch sehr davon aus, dass der Artikel im Osservatore Romano von Erzbischof Müller ebenfalls vom Papst abgesegnet wurde. Welche Haltung vertritt der Papst denn nun beim Thema "wiederverheiratet Geschiedene"?

Lüdicke: Das weiß ich auch nicht, aber ich könnte schon sagen, dass diese beiden Papiere, von denen die Rede ist, sich eigentlich nicht so wirklich widersprechen. Das hängt damit zusammen, dass das Papier von Erzbischof Müller sich, wie wir das in der Kirche seit Jahren gewöhnt sind, als Äußerung des Lehramtes mit der Unauflöslichkeit der Ehe beschäftigt, das heißt mit einer Frage, die eigentlich nicht debattiert wird. Es geht nicht darum, ob Leute kirchlich wieder heiraten können. Es geht für die Betroffenen um die Frage, wie ihr Status als Zivilwiederverheiratete von der Kirche bewertet wird. Damit hat sich das Freiburger Papier beschäftigt, in dem es also diesen Zustand positiv gewürdigt hat, das Positive daran gesehen hat und daran die Erkenntnis oder die Folgerung geknüpft hat, man könne die Sakramente auch dann empfangen, wenn man kirchlich nicht verheiratet, aber in zweiter standesamtlicher Ehe lebt. Zu dieser Frage hat sich Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, fast überhaupt nicht geäußert. Er schreibt in dem ganzen Papier jede Menge Aussagen zur Unauflöslichkeit der Ehe, die niemand bezweifelt. Und bei der Frage nach dem Status der wiederverheiratet Geschiedenen unter moralischer Hinsicht kommt dann nur, dass der Kommunionempfang aus inneren Gründen nicht möglich sei. Was für innere Gründe - kein Wort dazu. Ob es dafür keine Begründung gibt oder ob sie der Erzbischof nicht weiß oder ob er sie nicht sagen will, das kann man nur vermuten.

domradio.de: Heute gibt es keinen moralischen Druck mehr, sich einer kirchenrechtlichen Verurteilung als wiederverheiratet Geschiedener zu stellen. Anders als vielleicht noch vor dreißig Jahren. Warum sollten die Menschen sich dieser Stigmatisierung also weiter stellen?

Lüdicke: Also ich würde unterscheiden, diejenigen, denen es ein Anliegen ist, wieder kirchlich verheiratet zu sein, steht der Weg des kirchlichen Ehe-Nichtigkeitsverfahren zur Verfügung, das in relativ vielen Fällen zum Erfolg führt und zu einer kirchlichen Wiederheirat. Das ist natürlich das ideale Ergebnis sozusagen. Für die anderen, für die das nicht möglich ist oder die das nicht wollen, bleibt die Frage nach der moralischen Beurteilung ihrer Lebensverhältnisse. Da hat traditionell die Kirche immer davon gesprochen, das ist permanenter Ehebruch, das ist schwere Sünde. Legt man aber das Lehramt der Kirche zum Begriff der schweren Sünde zu Grunde, kommt man zu dem Ergebnis, das passt nicht zusammen. Das sind keine Menschen, die sich in ihrem Leben und ihrem Wollen und ihrer religiösen Situation von Gott trennen wollen, wie es Definitionsmerkmal der schweren Sünde ist. Das heißt, dass die Kirche eigentlich nur ihre eigene Gesetzmäßigkeit, ihre eigene Theologie anzuwenden brauchte und zu dem Ergebnis zu kommen: Die Betroffenen sind keine schweren Sünder und die Verantwortung vor Gott, ob sie würdig sind, die Sakramente zu empfangen, tragen sowieso sie selbst.

domradio.de: Meinen Sie in diese Richtung könnte die Kommission auch gehen, die Papst Franziskus für das kommende Jahr einberufen hat?

Lüdicke: Das ist sehr schwer zu beurteilen, weil ich in der bisherigen Debatte das ganze Thema eigentlich kaum mal beobachtet habe, das gezielt die Moralität der Lebensverhältnisse der wiederverheiratet Geschiedenen ins Bild gerückt worden wäre, sondern immer der Schwerpunkt gesetzt worden ist auf das, was Gerhard Ludwig Müller jetzt auch getan hat, von der Unauflöslichkeit der Ehe zu reden. Aber wie gesagt, das ist nicht das Thema. Ob die Bischofssynode 2014 "die Kurve kriegen wird", wenn ich mich mal so salopp ausdrücken darf, die eigentliche Frage zu behandeln, das ist schwer vorauszusehen. Aber man kann es hoffen und die Freiburger Initiative hat sicherlich Signalwirkung, dass man daran nicht mehr vorbeigehen will.

Das Interview führte Christian Schlegel


Prof. em. Klaus Lüdicke (KNA)
Prof. em. Klaus Lüdicke / ( KNA )
Quelle:
DR