Erzbischof Robert Zollitsch zur neuen Runde im Dialogprozess

"Ich bin selbst manchmal ungeduldig"

In Hannover soll es am Freitag und Samstag um die Verantwortung der Kirche in der freien Gesellschaft gehen. 300 Männer und Frauen kommen dann zur zweiten Runde des bundesweiten Gesprächsprozesses zusammen. Zu den Erwartungen an Hannover im Interview: Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, was erwarten Sie von dem Treffen in Hannover?

Zollitsch: Beim ersten Treffen in Mannheim habe ich gespürt, wie gut wir ins Gespräch gekommen sind und gemeinsame Anliegen formuliert haben. Ich erwarte von Hannover, dass wir da ansetzen. Es geht ja um konkrete Themen. Wir werden vor allem den Dienst der Kirche an der Gesellschaft in den Blick nehmen. Denn wir sind für die Menschen da und nicht für uns selber.



KNA: Wo genau will sich die Kirche stärker einbringen?

Zollitsch: Im ganzen sozialen Bereich. Die Menschen werden zunehmend älter, und wir müssen für die Alten und Kranken sorgen. Es geht in vielerlei Hinsicht um die Zukunft einer alternden Gesellschaft: Was müssen wir tun, damit die Lasten nicht nur der nächsten Generation aufgetragen werden? Wir wollen das Leben der Menschen verbessern und etwas für den Schutz des Lebens tun. Denn jeder Mensch hat von Gott her seine Würde. Das wollen wir bewusst machen.



KNA: Viele Katholiken werden aber ungeduldig und kritisieren Sonntagsreden. Wie groß ist die Gefahr der Resignation?

Zollitsch: Ich spüre die Ungeduld und bin selbst manchmal auch ungeduldig. Wir müssen schauen, dass der Weg in die Zukunft auch weiterhin konkret ist. Der Dialogprozess ist auf mehrere Jahre angelegt, und darum können wir das Ergebnis jetzt nicht vorwegnehmen. Wenn wir jedoch von Hannover weggehen und haben eine neue Gesprächskultur entwickelt, dann haben wir viel erreicht. Aber wir werden auch die Themen, die anstehen, zusammenfassen und als Aufgabe mitnehmen.



KNA: Ein neues Buch heißt "Schafft sich die katholische Kirche ab?" Darin kritisiert der Autor eine Flucht ins Fromme als "bequemen Ausweg"...

Zollitsch: Thomas von Mitschke-Collande kommt ja aus der Unternehmensberatung. Ich habe mich mehrmals mit ihm getroffen, und er macht auf wichtige Dinge aufmerksam. Im übrigen werden jetzt in Hannover Fachleute aus der Wirtschaft moderieren. Ja, wir wollen tatsächlich lernen.



KNA: Was heißt das konkret?

Zollitsch: In Hannover tagen zum Beispiel alle 300 Teilnehmer in einem Saal, arbeiten aber auch in Kleingruppen. Damit die Gedanken aus den Gruppen für alle nutzbar werden, gibt es in jeder Kleingruppe ein oder zwei iPads. So kann manches einfach und schnell in den Saal für alle weitergeben werden. Wir wollen möglichst viel an Informationen weiterreichen und anderen zur Verfügung stellen.

Aber es gibt natürlich auch große Unterschiede zur Wirtschaft oder zur Politik.



KNA: Nämlich?

Zollitsch: Als Christen können wir nicht einfach alles selbst machen. Wir dürfen uns vieles auch schenken lassen von Gott. Und müssen dann natürlich das unsere dazutun und wirklich anpacken.



KNA: Kritiker des Dialogprozesses halten ihn für überflüssig oder gar für gefährlich. Manche empfehlen stattdessen: weniger debattieren, mehr beten.

Zollitsch: Es geht um beides. Wir brauchen das Gebet, aber wir müssen auch miteinander und aufeinander hören. Gott hat uns den Verstand gegeben und den Auftrag, aktiv zu werden - also nicht im Gebet allein zu warten, dass er nun Wunder wirkt. Wir werden in Hannover diskutieren und auch gemeinsam beten und Gottesdienst feiern.



KNA: Hannover dreht sich vor allem um die Verantwortung in der Gesellschaft. Werden innerkirchliche Themen wie Wiederverheiratete ausgeklammert?

Zollitsch: Diese Themen sind nicht weg. Die Bischofskonferenz ist dran an der Frage der Seelsorge mit wiederverheirateten Geschiedenen. Wir werden bei der nächsten Frühjahrsvollversammlung das Thema Frau in der Kirche ansprechen. Wir brauchen aber das, was in Mannheim besprochen wurde, nicht einfach zu wiederholen. Sondern wir wollen jetzt stärker den Blick in die Zukunft, in die Gesellschaft richten.



KNA: Sie haben ja mit großem Elan den Gesprächsprozess ins Rollen gebracht. Haben Sie das schon mal bereut?

Zollitsch: Ich wusste, dass viel Arbeit und Engagement damit verbunden sind. Aber wenn ich zurückblicke, bin ich froh, die Anregung gegeben zu haben. Weil wir dabei sind, eine neue Gesprächskultur in unserer Kirche in Deutschland zu finden und einzuüben. So können wir neu und viel stärker aufeinander hören. Das macht mich zuversichtlich.



Das Interview führten Gottfried Bohl und Thomas Winkel.