Streit um Karfreitagsfürbitte macht vor Katholikentag nicht halt

Schatten über Osnabrück

An einer einzigen Stelle taucht das Thema im offiziellen Programm des 97. Deutschen Katholikentages auf. Bei einem Forum am Donnerstag diskutieren der Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers und der Regensburger Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler über die katholische Karfreitags-Fürbitte für die Juden. Und doch kann der Streit darüber das am Mittwoch beginnende Treffen in Osnabrück noch bei manchen Veranstaltungen überschatten.

 (DR)

Es geht um eine Liturgiereform, deren theologische Feinheiten für den Laien nur schwer zu durchschauen sind. Dennoch verraten sie viel über die Empfindlichkeiten im Dialog zwischen Christen und Juden. Dass die Debatte vor allem in Deutschland emotional geführt wird, liegt nicht zuletzt in den besonderen Belastungen der nationalsozialistischen Vergangenheit begründet.

Erschwerend mag hinzukommen, dass ausgerechnet der «deutsche Papst» Benedikt XVI. den Anstoß zur Neufassung der sogenannten Judenbitte gegeben hat. Mit der erleichterten Zulassung des alten tridentinischen Ritus wollte er 2007 traditionalistischen Kreisen innerhalb der katholischen Kirche entgegenkommen. Die dafür vor drei Monaten autorisierte Neufassung der Fürbitte für die Juden am Karfreitag betrachten einige Rabbiner und Theologen zumindest indirekt als Aufforderung zur Bekehrung der Juden und fürchten einen Rückfall in den Anti-Judaismus früherer Jahrhunderte. «Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen.» So lautet die deutsche Übersetzung des neuen lateinischen Textes.

Zwar bittet die große Mehrheit der Katholiken am Karfreitag weiterhin in der seit 1970 gültigen Formel darum, dass Gott die Juden «in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen bewahre». Doch diesen Umstand wollen Kritiker wie der liberale Rabbiner Walter Homolka nicht gelten lassen. «Wir möchten weder bebetet noch missioniert werden», betonte der Direktor des Abraham Geiger Kollegs in einer Aufzeichnung der ZDF-Sendung «Streitfall Religion». Es sei stillos, heutzutage noch Mission anzustreben. Aus diesem Grund hatte Homolka schon vor einiger Zeit wie sein Oldenburger Amtsbruder Daniel Alter und der Frankfurter Sozialwissenschaftler Micha Brumlik seine Teilnahme am Katholikentag abgesagt.

Christlich-jüdischer Dialog
Zwei geplante Veranstaltungen müssen deswegen ausfallen. Dennoch erwarten die Organisatoren zu den rund 20 Podien und Vorträgen zum christlich-jüdischen Dialog auch jüdische Gäste. Zu ihnen gehört der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) des Zentralrats der Juden in Deutschland, Henry Brandt. Eine «Gemeinschaftsfeier» ist am Donnerstagabend geplant. Sie wird gehalten von Brandt und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch. Es gelte zu verhindern, dass man angesichts der sich auftuenden Belastungen in Sprachlosigkeit verfalle, warnte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, im Radiosender SWR 2.

Trotzdem bleibt in Meyers Worten «dieser Haken": die neue Karfreitagsfürbitte. Korrekturen daran stehen aus Sicht des «Ökumeneministers» des Papstes, Kardinal Walter Kasper, vorerst nicht ins Haus. In den vergangenen Tagen erinnerte er noch einmal daran, dass es um ein Gebet und nicht um eine Aufforderung zur Mission oder zur Bekehrung der Juden gehe. In der «Südwest-Presse» in Ulm schloss er dennoch eine Änderung der Fürbitte nicht grundsätzlich und nicht für alle Zeiten aus. Ein solches Ansinnen sei an ihn aber «offiziell» nicht herangetragen worden.

Wie drängend indes aus jüdischer Sicht eine grundsätzliche Klärung des christlichen Missionsverständnisses ist, zeigt eine Wortmeldung innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der Leiter des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth, betonte Mitte April in einem Interview der Nordausgabe der «taz», dass dieser Auftrag allen Menschen gelte - auch den Juden. Die Antwort des Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ließ nicht lange auf sich warten: «Juden brauchen anders als die Heiden auch nach dem Neuen Testament nicht 'missioniert' zu werden.»