Kommentar des domradio.de-Chefredakteurs zu einem Jahr Amtszeit von Kardinal Woelki

Der Hoffnungsträger

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki ist seit einem Jahr im Amt. domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen bezeichnet Woelki in seinem Kommentar dazu als "Hoffnungsträger".

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Genau ein Jahr ist er jetzt im Amt – der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Seither wird man als kirchlicher Journalist natürlich immer wieder und überall gefragt, wie er denn so sei, der "neue Kardinal". "Ist der wirklich so nett und sympathisch, wie er aussieht?" Ja, ist er. "Der bringt aber Schwung in euren Laden?" Ja, bringt er. "Woelki ist aber mit seinem Vorgänger gar nicht zu vergleichen?" Nein, ist er nicht. Kölns neuer Erzbischof will auch gar nicht verglichen werden. Er ist seit seinem Amtsantritt vor 12 Monaten dabei, seinen ganz persönlichen Weg der Christusnachfolge am Rhein zu gehen. Wie schon in Berlin setzt er seine eigenen Akzente: Das Thema "Aufnahme von Flüchtlingen", das die Bundeskanzlerin erst vor zwei Wochen zur Chefsache erklärt hat, setzte er z.B. bereits in seiner allerersten Pressekonferenz ganz oben auf die Agenda. Seitdem wird er nicht müde, Christen wie Nichtchristen an ihre Verantwortung für Notleidende zu erinnern. Notunterkünfte und Aufnahmelager besucht er, ohne daraus ein Medienereignis zu inszenieren. Bundesweite Beachtung brachten ihm trotzdem die 23.000 Glockenschläge ein, mit dem der engagierte Kirchenmann an die über 23.000 toten Flüchtlinge im Mittelmeer erinnerte.

Die Stimme des Kölner Kardinals hat Gewicht – und Woelki bringt sie gekonnt ein, gerade auch, weil er nicht von der Kanzel donnert. Er setzt im gesellschaftlichen Dialog, den er überall auf Augenhöhe führt, auf Argumente und überzeugt gerade durch seine ruhige, souveräne Art. Wo er selber auf der Suche ist, sagt er das frei und offen. Er sammelt auch so überzeugend Pluspunkte, weil er dann oft die richtigen und wichtigen Fragen stellt: "Wie können wir als Kirche heute glaubwürdig das Evangelium verkünden?" ist eine seiner Kernfragen. Wenn man sich bei seinen Priestern und pastoralen Mitarbeitern im Erzbistum umhört, so genießt er in deren Reihen viel Vertrauen. Dass da plötzlich einer an ihrer Spitze steht, der freimütig zugibt, dass er gerade "schlotternde Knie" habe angesichts der vielen Herausforderungen, vor denen die katholische Kirche steht, ist ein neuer, ehrlicher – und gerade deshalb so gewinnender Ton. Der Ton macht bekanntlich die Musik – und Woelki trifft in der Regel intuitiv fast immer den richtigen Ton. Klar, wenn er im Stress ist und z.B. seine große Verwaltung als lahmen Laden kritisiert, weil diese das von ihm vorgelebte Tempo nicht immer sofort aufnimmt, schießt er in der Wortwahl auch mal über das Ziel hinaus. Aber ein Chef sammelt gerade dann Sympathien, wenn er dann die Kraft aufbringt und sich für falsche Töne entschuldigen kann. Woelki kann das überzeugend – und Woelki lernt. Er kann zuhören, er predigt sein Gegenüber nicht sofort zu, sondern sucht über alle Grenzen hinweg den offenen Dialog. Und er strahlt frischen, ja fast jugendlichen Elan aus, ganz egal, ob er bei der Liturgie mit energischen Schritten durch den Dom eilt oder mit seinem "Armeleutefahrrad" zum nächsten Termin strampelt. Wer nur einmal zehn Minuten mit ihm auf der Domplatte gewesen ist, spürt, wie Woelki wirkt. Er sucht die Nähe, ohne sich anzubiedern. Er plaudert mit den Bauarbeitern ohne Berührungsängste. Er scherzt mit Kindern, auch wenn keine Kamera in der Nähe ist. Er fachsimpelt mit den Fußballfans über den FC-Sturm und kann sich im gleichen Atemzug auch herrlich über die Altherrenriege der korrupten Fifa-Bosse aufregen.

Viele Kölner – und nicht nur die – haben ihn in kürzester Zeit in ihr Herz geschlossen. Da ist einer, der als Mensch im Reden, Denken und Tun mitten im Leben ist. Der aber gleichzeitig, wo immer es geht, die Freude des Lebens und die Liebe Gottes verkündet. Echt, glaubwürdig und authentisch und gerade daher ein Bischof, der Mut macht. Der "neue Kölner Kardinal" ist so längst zum "Kölner Kardinal" geworden. Ein Träger der christlichen Hoffnung und für viele so in kürzester Zeit ein begeisternder Hoffnungsträger. Darüber darf sich auch Amtsvorgänger Meisner freuen, selbst wenn der jetzt der "alte Kölner Kardinal" geworden ist.

Zugegeben, dass klingt alles eher nach reichlich übertriebener Lobhudelei, als nach kritischer journalistischer Auseinandersetzung. Aber was soll man machen, wenn selbst die völlig unabhängigen und immer sehr kirchenkritischen Experten der Stunksitzung frustriert bilanzieren: "Über den Woelki kann man bisher nichts Schlechtes erzählen … für Satiriker ist der Kardinal – einfach katastrophal!"

Ihr

Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur


Quelle:
DR