Im ersten Amtsjahr hat Kardinal Woelki viele überrascht

Gegen "falschen Perfektionismus"

Nun trägt Rainer Maria Woelki auch das "Pallium". Benedikt XVI. übergab dem Berliner Kardinal die Stola am Freitag feierlich im Petersdom, als Zeichen ihrer Würde als Erzbischöfe nahmen Woelki und 44 weitere Geistliche aus aller Welt es entgegen. Die Zeremonie fiel fast mit dem ersten Jahrestag der Berufung Woelkis an die Spitze des Erzbistums Berlin zusammen.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

Am 2. Juli 2011 hatte Benedikt XVI. den damaligen Kölner Weihbischof zum Nachfolger des verstorbenen Kardinal Georg Sterzinsky ernannt. Seinen Dienst als Hauptstadtbischof trat Woelki dann am 27. August an. Seither macht der 55-Jährige eine - für manche unerwartet - gute Figur. Unterstellungen einer rückwärtsgewandten Amtsauffassung, die etwa wegen seiner Promotion an der "Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz" der Opus-Dei-Gemeinschaft aufkamen, sind weitgehend verstummt.



Von Beginn an zeigte sich der hochgewachsene Woelki mit seinem markanten schwarzen Brillengestell offen und ohne Berührungsängste. Er wolle "nicht mit dem moralischen Zeigefinger herumfuchteln", sondern seine neue Aufgabe "mit rheinischer Fröhlichkeit und Leichtigkeit angehen", kündigte er bei seiner ersten Pressekonferenz in der Hauptstadt an.



Offenerer Umgang mit geschiedenen Katholiken

Zuletzt bewies er dies in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" zu aktuellen heißen Kirchenthemen. Darin riet er zu einem offeneren Umgang mit geschiedenen Katholiken, die nach einer zweiten zivilen Eheschließung von Sakramenten wie der Kommunion ausgeschlossen sind. "Wir müssen einen Weg finden - ohne der Lehre Abbruch zu tun -, der Menschen leben lässt", mahnte Woelki. "Heute leiden wir kirchlicherseits vielleicht manchmal an einem falschen Perfektionismus", räumte er ein.



Auch mit seiner Position zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sorgte der Kardinal für Aufsehen. Die Kirche dürfe in homosexuellen Beziehungen nicht nur den "Verstoß gegen das natürliche Gesetz" sehen. "Ich versuche auch wahrzunehmen, dass da Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, sich Treue versprochen haben und füreinander sorgen wollen", sagte er in dem Interview. Zuvor schon hatte Woelki es nicht bei Worten belassen. Im vergangenen September traf er als erster katholischer Bischof in Deutschland zu einem offiziellen Gespräch mit Vertretern des Lesben- und Schwulenverbands zusammen.



"Die Kirche darf kein reiner Männerclub sein"

Auch als "Caritas-Bischof" machte Woelki von sich reden. Und das nicht nur als Vorsitzender der entsprechenden Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, die er seit vergangenem Herbst leitet. Schon mit der Wahl seines Wohnsitzes hatte Woelki zuvor ein Zeichen gesetzt. Er zog in den Stadtteil Wedding, einem sozialen Brennpunkt mit hohen Migrantenanteil. Seine Erhebung zum Kardinal feierte er auch mit rund 100 armen Berlinern in der Charlottenburger Malteser-Zentrale.



Beachtung fand zudem Woelkis Förderung von Frauen. Sie zu kirchlichen Weiheämtern zuzulassen, widerspräche zwar "dem göttlichen Stifterwillen", schränkte er ein. "Die Kirche darf aber kein reiner Männerclub sein", betonte der Kardinal zugleich. Mit Ulrike Kostka im Diözesancaritasverband und Martina Köppen im Katholischen Büro Berlin-Brandenburg, das politische Lobbyarbeit leistet, berief er zwei Frauen in Spitzenpositionen, die zuvor Männer innehatten.



"Außenpolitisch" ist Woelki nach Einschätzung vieler Beobachter als Hauptstadtbischof "angekommen". Innerkirchlich erwarten ihn indes noch schwierige Bewährungsproben. Wie die anderen deutschen Diözesen steht auch das Erzbistum Berlin vor weiteren Strukturreformen mit spürbaren Folgen für die Seelsorge. Grund sind die rückläufigen Zahlen bei Priestern, Kirchenmitgliedern und finanziellen Mitteln. Schon die Fusionen der Kirchengemeinden in den vergangenen Jahren unter Kardinal Sterzinsky waren teilweise heftig umstritten. Jetzt muss der Nachfolger seine Fähigkeit zum Ausgleich der Interessen unter Beweis stellen.