Das Papstprogramm vor Castel Gandolfo

Zwischen Pallium und Personalkarussell

Am Hochfest Peter und Paul herrscht im Vatikan Hochbetrieb: Eine hochrangige Delegation der Orthodoxie kommt zum Ökumene-Gipfel, 44 Erzbischöfe haben ihr "Pallium" erhalten, unter ihnen Kardinal Woelki. Außerdem stehen wichtige Personalentscheidungen an – mit einem Deutschen im Fokus.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Papst Benedikt XVI. hat am Freitag den 44 im vergangenen Jahr ernannten Erzbischöfen das Pallium als Zeichen ihrer Metropolitanwürde verliehen, darunter dem Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki. In einer feierlichen Zeremonie legte er den Leitern der Kirchenprovinzen aus aller Welt die weiße Wollstola mit schwarzen Kreuzen über die Schulter, die sie künftig über dem Messgewand tragen. Das Pallium sei Ausdruck der kirchlichen Einheit und der Verbundenheit mit dem Papst, betonte Benedikt XVI. bei der Zeremonie. An der Festmesse zum römischen Patronatstag Peter und Paul nahm auch die hochrangige Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel teil.



Erstmals erfolgte die Verleihung der Pallien vor Beginn der Messe. Unmittelbar nach dem feierlichen Einzug in den Petersdom präsentierte der Kardinal-Protodiakon, der Franzose Jean-Louis Tauran, dem Papst die in den vergangenen zwölf Monaten ernannten neuen Metropolitan-Erzbischöfe. Der neue Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, sprach im Namen der übrigen Empfänger die Eidesformel, in der er dem heiligen Apostel Petrus, der Kirche sowie dem Papst und seinen legitimen Nachfolgern Treue und Gehorsam versicherte. Das Pallium wird aus der Wolle der vom Papst jedes Jahr Ende Januar gesegneten Agnes-Lämmer gewebt und an der Nische direkt am Petrusgrab aufbewahrt.



Zu den neuen Erzbischöfen, die zu der Zeremonie nach Rom reisen, gehören neben Woelki Kardinal Francisco Robles Ortega aus Guadalajara/Mexiko und der Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia. Auch der pakistanische Erzbischof von Karachi, Joseph Coutts, sowie die Erzbischöfe Charles Joseph Chaput (Philadelphia), Stanislaw Budzik (Lublin) und Waclaw Depo (Tschenstochau) nehmen persönlich teil. Das Pallium ist eine weiße Wollstola mit schwarzen Kreuzen, die bei der Liturgie von den Leitern der Kirchenprovinzen über dem Messgewand getragen wird. Die Stola wird aus der Wolle zweier Lämmer hergestellt, die der Papst traditionell am Fest der heiligen Agnes am 21. Januar segnet.



Aufklärung in der "Vatileaks"-Affäre

In der kommenden Woche bricht Benedikt XVI. nach Castel Gandolfo auf. Vorher bemüht er sich weiter um Krisenmanagement: Er will die Weichen für eine Klärung der "Vatileaks"-Affäre samt ihrer Ursachen und Begleitumstände stellen. Immer dichter folgten bereits in den vergangenen Tagen die Treffen des Papstes mit hohen Würdenträgern aufeinander. Am Samstag versammelte er die Leiter der römischen Kurienbehörden zu einer Gesprächsrunde. Am gleichen Tag traf er sich mit den "fünf Weisen" - wie italienische Medien die Kardinäle mit besten Leitungserfahrungen bezeichneten. Weitere Gespräche dieser Art sollten folgen, teilte Sprecher Federico Lombardi mit - auch mit Blick auf die vielen hochkarätigen Besucher zum Peter-und-Paul-Fest.



Denn während die vatikanische Justiz, die Gendarmerie und die drei Kardinal-Kommissare weiter über den Geheimnisverrat aus dem Vatikan beraten, bemüht sich der Papst um Aufklärung der Hintergründe und um Schadensbegrenzung. Außer der Verhaftung von Kammerdiener Paolo Gabriele und der Einleitung der Gerichtsprozedur hat der Vatikan bislang keine Informationen über den Skandal bekanntgegeben. Dieser belastet das Image des Vatikans unterdessen erheblich. Selbst hohe Kirchenvertreter wie der Pariser Kardinal Andre Vingt-Trois äußerten öffentlich Sorge über den Führungsstil der Kurie.



Was Benedikt XVI. mit den Kardinälen besprochen hat, bleibt vertraulich - und bietet insbesondere den italienischen Medien Anlass zu vielfältigsten Spekulationen. Vermutlich sei es auch um Rolle und Zukunft von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gegangen, hieß es dort. Freilich sind die Vermutungen widersprüchlich, ob Benedikt XVI. seinen langjährigen Vertrauten zum 78. Geburtstag am 2. Dezember aus dem Amt lassen will oder nicht.



Schon werden mögliche Nachfolger aus dem Kreis der Diplomaten genannt: der frühere vatikanische Innenminister Leonardo Sandri (68, Argentinien) etwa, sein Nachfolger Angelo Becciu (64, Italien), der derzeitige Außenminister Dominique Mamberti (60, Frankreich) oder der Nuntius in Berlin Jean-Claude Perisset (73, Schweiz). Andere meinten, Benedikt XVI. reagiere ohnehin nie auf Mediendruck; Bertone bleibe weiter im Amt, werde aber vielleicht durch einen Stellvertreter entlastet.



Wechsel an der Spitze der Glaubenskongregation

Näher und realistischer dürften unterdessen die Wechsel in anderen Kurienämtern sein. Noch vor seiner Sommerpause könnte Benedikt XVI. einen neuen Chef für Vatikanbibliothek und -archiv berufen. Als möglicher Kandidat wird der französische Dominikaner und Sekretär der Bildungskongregation, Erzbischof Jean Louis Brugues (68), genannt.



Und auch ein Wechsel an der Spitze der Glaubenskongregation scheint bevorzustehen: Deren US-amerikanischer Präfekt William Levada wurde vor zehn Tagen 76 Jahre alt und gilt als amtsmüde. Immer häufiger wird als möglicher Nachfolger der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller (64) genannt, der in Rom als Theologe und Ökumene-Experte hoch geschätzt ist. Aber auch der kanadische Präfekt der Bischofskongregation, Marc Ouellet (68), ist als Levada-Nachfolger im Gespräch, ebenso der Italo- Amerikaner Joseph Augustine Di Noia (68), derzeit Sekretär der Sakramentenkongregation.



Käme es zu einem Wechsel Müllers nach Rom, hätte der Papst zwei, vielleicht sogar drei deutsche Bischofsstühle zu besetzen: in der derzeit vakanten Diözese Dresden-Meißen, in Regensburg und vielleicht auch in Passau, dessen Oberhirte Wilhelm Schraml am Dienstag 77 Jahre alt wird.