Designierter Berliner Erzbischof Woelki will neue Tradition begründen

Treueeid im Roten Rathaus

Berlins designierter Erzbischof Rainer Maria Woelki hat am Dienstag einen Treueeid vor der Landesregierung abgelegt. Mit dem Eid verspricht er, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten. Woelki ist der erste Berliner Erzbischof, der einen solchen Eid ablegt. Er werde sich für Berlin engagieren und wenn es sein müsse, auch die Regierung kritisieren, so Woelki gegenüber dem Regierenden Bürgermeister Wowereit.

 (DR)

Woelki sagte am Dienstag im Roten Rathaus, er wolle mit dem Akt des Treueeids eine neue Tradition begründen, der Akt sei eine "Rückkehr in die Normalität, ein Ausdruck der deutschen Verfassungstradition eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche".



Im Hinblick auf die Kritik einiger Historiker, die den Treueeid im Vorfeld als überholt bezeichnet hatten, sagte Woelki, der Eid sei "insofern immer noch zeitgemäß, als die Kirche nicht nur Teil dieser Gesellschaft ist, sondern sich auch als Kirche für diese Gesellschaft betrachtet. Nicht mit dem Anspruch, diese Gesellschaft zu dominieren, aber mit der Überzeugung, dass es Aufgabe jedes Christen und jeder Christin ist, diese Welt mitzugestalten und sich in dieser Gesellschaft zu engagieren." Er sei der "tiefen Überzeugung, dass es zum Wohl dieser Stadt beiträgt, die Botschaft des Evangeliums und die christlichen Werte zu verkünden" so Woelki bei seiner Ansprache.



Der Professor für Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Christoph Markschies, hatte der katholischen Kirche geraten, eine "zeitgemäßere Regelung" als den Eid einzusetzen. Das Land Brandenburg etwa habe 2003/2004 einen neuen Kirchenstaatsvertrag abgeschlossen, in dem auf den Treueeid verzichtet werde. Der Treueeid "gehöre historisch gesehen ins Mittelalter", so Matschies am Dienstag in Berlin.



"Aus Köln weggeführt"

Woelki betonte weiter, dass er sich für Berlin engagieren wolle. Er stehe der Regierung als Gesprächspartner zur Verfügung und sei zur Kooperation mit anderen Akteuren der Gesellschaft bereit. Allerdings werde er vielleicht auch Kritik äußern müssen, wenn er dem Eid entsprechend "Schaden zu verhüten trachten" soll.



Zum Abschluss zitierte Woelki den alttestamentlichen Propheten Jeremia (Jer 29, 7): "Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl". Dieses Bibelwort fasse sehr schön zusammen, in welchem Geist er den Eid leiste: "Genau dies will ich, der ich aus Köln nach Berlin "weggeführt" worden bin, mit Freude beherzigen."



Nach dem Verlesen der Eidesformel und der Unterzeichnung übergab Woelki dem Regierenden Bürgermeister die Heilige Schrift, auf die er den Eid geleistet hatte, und wünschte dem Regierenden Bürgermeister für sein Amt und die Stadt "Gottes reichen Segen".



Wowereit erklärte bei dem Festakt, er freue sich, diesen feierlichen Akt als Novum in der Nachkriegsgeschichte begehen zu können. Wowereit bekräftigte, dass Berlin zur Verantwortung gegenüber den Kirchen und zur Partnerschaft mit der katholischen Kirche stehe. Es sei ein Vorurteil, dass Berlin heidnisch und nicht-christlich sei. In der Hauptstadt seien viele Religionsgemeinschaften vertreten. Ihnen müsse mit Respekt begegnet werden, so Wowereit, der auch katholisch ist.



Der bisherige Kölner Weihbischof tritt sein neues Amt an der Spitze des Erzbistums Berlin am 27. August an. domradio.de überträgt live in Bild und Ton.



Die Geschichte des Eids

Laut Artikel 16 des Reichskonkordats von 1933 müssen katholische Bischöfe in Deutschland, bevor sie von ihrer Diözese Besitz ergreifen, "in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueid" leisten. Mittlerweile gilt dies für die jeweiligen Ministerpräsidenten oder bei den Stadtstaaten für die Regierenden Bürgermeister. Für das Bistum Berlin legten erst zwei Bischöfe diesen Eid ab: Nicolaus Bares (1934-35) und Konrad Graf von Preysing (1935-50). Preysing traf dabei, wie sein Biograf Wolfgang Knauft berichtet, am 30. August 1935 auf Reichskirchenminister Hanns Kerrl, der erst wenige Monate zuvor an die Spitze des von den Nazis neu geschaffenen Ministeriums berufen worden war.



Preysings Nachfolger Wilhelm Weskamm trat 1951 sein Amt bereits unter den Bedingungen der deutschen Zweistaatlichkeit an. Die Kirche musste ihr Interesse an der Wahrung der Konkordate auch in der DDR bekunden; zugleich aber mussten die neuen politischen Rahmenbedingungen beachtet werden. So hatte das Domkapitel nach der Wahl und vor der Ernennung des neuen Bischofs sowohl die zuständigen Stellen in West-Berlin als auch in der DDR informiert. Weskamm verzichtete jedoch auf die Eidesleistung und begründete dies vorab schriftlich mit der Überlegung, er halte einen Eid "für etwas so Bedeutsames, dass eine Ableistung vor einer westlichen Dienststelle und vor Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik den Eid zur Zeit bagatellisieren und in weiten Kreisen des deutschen Volkes unglaubhaft erscheinen lassen müsste". Dieser Überlegung stimmten sowohl die DDR-Oberen als auch die Verantwortlichen in Bonn und West-Berlin zu.



Neue Staatskirchenverträge

Für die nachfolgenden Bischöfe - Julius Döpfner (1957-61), Alfred Bengsch (1961-80), Joachim Meisner (1981-89) sowie Georg Sterzinsky (1989-2011) - war damit der Weg vorgezeichnet, da sich bei ihrem Amtsantritt nichts an den politischen Verhältnissen geändert hatte.  Inzwischen hat der Heilige Stuhl mit den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, von denen große Teile zum Erzbistum Berlin gehören, Staatskirchenverträge abgeschlossen. Im Vertrag mit dem Land Brandenburg heißt es im Schlussprotokoll ausdrücklich: "Das Land wendet Artikel 16 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 nicht an."



Im Vertrag mit Mecklenburg-Vorpommern fehlt eine ausdrückliche Regelung; es wird nur allgemein in der Präambel die "Fortgeltung des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933" anerkannt und in Artikel 15 betont: "Die Kirche ist frei bei der Besetzung ihrer Ämter." Ob Woelki auch in Schwerin einen Treueid leisten wird, ist nach Angaben des Erzbistums derzeit noch nicht entschieden.



Verhandlungen mit dem Land Berlin über einen Staatskirchenvertrag führten bisher nicht zu einem Ergebnis, weil sich beide Seiten nicht über den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einigen konnten. Laut Erzbistum erwägen Land und Kirche derzeit, die Gespräche wieder aufzunehmen.