Ingo Brüggenjürgen zur Vorstellung Bischof Woelkis

Die neue Mitte

Er kam, sah und viele staunten nicht schlecht. Dieser frohgemute Kirchenmann da vorne auf dem Podium sollte der neue Erzbischof von Berlin sein? Fast 100 Journalisten waren gekommen um sich ihr ganz persönliches Bild zu machen vom neuen "Hauptstadtbischof". Ein Kommentar von domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

All die Schubladen, in den einige den Neuen schon vor der ersten Berliner-Begegnung gesteckt hatten, taugten wenig, um Bischof Rainer Maria Woelki darin verschwinden zu lassen. "Erzkonservativ", "Opus Dei-verdächtig", "homosexuellenfeindlich": Wer den künftigen Erzbischof von Berlin bei seinem allerersten öffentlichen Auftritt in der Hauptstadt erlebte, merkte schnell, dass diese Etiketten nicht taugen und hier einer seinen ganz eigenen Weg der Christusnachfolge einschlagen will.



Ruhig, gelassen und fast immer die richtigen Worte findend punktete Woelki von Anfang an. Als eine Journalistin mit den Worten begann: "In Berlin haben wir ja Schwule und Lesben…", ging er charmant dazwischen: "Die haben wir in Köln aber auch…" - und hatte die ersten Lacher auf seiner Seite. Und sein Verhältnis zum Kölner Kardinal? "Der kann auch mit kontroversen Meinungen leben - und ich habe ihm meine oft genug mitgeteilt!" Nächster Punktgewinn. Rhetorisch geschickter kann sich ein vermeintliches "Lieblingskind Meisners" kaum vor der Meute der Hauptstadtjournalisten behaupten. Über 90 Minuten dauerte der Fragemarathon, dem sich der zukünftige Erzbischof bereitwillig stellte.



Wer sich quotenträchtige, starke Sprüche für wüste Schlagzeilen erhofft hatte, musste enttäuscht nach Hause gehen. Wer aber erwartungsvoll zuhörte, der konnte einen Kölner Weihbischof erleben, der mit großer Offenheit und im Vertrauen auf Gott den neuen Aufgaben entgegensieht. Die sprichwörtliche Frische der Berliner Luft und die sich neu auftuenden Möglichkeiten tuen dem Rheinländer Woelki schon jetzt sichtbar gut. Die ersten Freischwimmübungen des Neuen konnten die Kameras und Mikros bereits einfangen. "Im Fußball habe ich mich immer für das Mittelfeld begeistert - hier werden die klugen Pässe verteilt, hier kann man Freiräume schaffen und zur Not auch hinten mal aushelfen!" Für viele mag Bischof Woelki noch ein unbeschriebenes Blatt sein. Aber warum soll daraus nicht einmal ein gutes Buch werden?



Ganz offensichtlich hat hier einer spürbar Lust auf mehr: Mehr Verantwortung für die Kirche, mehr Freude an Christus, mehr Verkündigung der Frohen Botschaft für alle Menschen. Das sind wahrlich nicht die schlechtesten Grundlagen für einen Mann, der in der kirchlichen Mitte und in Berlin-Mitte zukünftig die Menschen von Gott begeistern will.