Papst Benedikt XVI. beginnt seinen Besuch in Kuba

Mission unter Marxisten

Papst Benedikt XVI. hat die Katholiken Kubas zum Aufbau einer offenen Gesellschaft aufgerufen. Dies sollten sie mit den "Waffen des Friedens" tun, sagte er bei seinem ersten von domradio.de live übertragenen Gottesdienst in dem kommunistischen Land in Santiago de Cuba, an dem auch überraschend Präsident Raul Castro teilnahm.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Die Bischöfe wirken einsam und verlassen auf dem Rollfeld. Zusammen mit handverlesenen staatlichen Würdenträgern und einer kubanischen Ehrenformation bilden sie das Empfangskomitee für Benedikt XVI. Das Volk der sozialistischen Republik bleibt bei dessen Ankunft in Santiago de Cuba in sicherem Abstand auf einer Dachterrasse des Flughafengebäudes. Die ohnehin nur gedämpften Sprechchöre sind auf dem Rollfeld kaum zu hören. Umso lauter dafür fünf Geschütze, die 21 Salutschüsse abfeuern. Ihr Qualm verbreitet einen Geruch von faulen Eiern. Ein denkwürdiger Empfang, den eine der letzten Hochburgen des Marxismus dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche bereitete.

"Ich komme als Pilger der Liebe", sagte Benedikt XVI. zur Begrüßung. Zu verstehen waren seine Worte allerdings kaum. Die Mikrofonanlage war auf das polternde Organ von Präsident Raul Castro eingestellt. Castro selbst dürfte das nicht unlieb gewesen sein, denn was der Papst zu sagen hatte, war wohl nicht unbedingt das, was er sich erhofft hatte.

Castro: Generalabrechnung mit dem Erzfeind
Benedikt XVI. sprach das Thema Menschenrechte schon zu Beginn seiner Reise überraschend deutlich an. Der Glaube ermutige zur Verteidigung und Förderung humaner Lebensbedingungen und der Grundrechte, sagte der Papst. Er komme mit den "verständlichen Erwartungen und berechtigten Hoffnungen" aller Kubaner im Herzen. Damit ging Benedikt XVI. über das hinaus, was sein Vorgänger Johannes Paul II. zu Beginn seiner historischen Kuba-Reise 1998 zu dem Thema gesagt hatte. Damals kam das Wort Menschenrechte nicht vor. Ein Treffen mit Dissidenten ist jedoch auch bei Benedikt XVI. ebenso wenig vorgesehen wie seinerzeit bei Johannes Paul II.

Castro nutzte seine Ansprache für eine Generalabrechnung mit dem Erzfeind Amerika und beklagte sich bitter über das Handelsembargo, unter sein Land sei rund 50 Jahren leidet. Lobende Worte fand er hingegen für das Verhältnis zur katholischen Kirche. Diese genieße auf Kuba vollständige Religionsfreiheit, sagte er.

Wie es damit an der Basis bestellt ist, konnte Castro bei seiner unangekündigten Teilnahme an der ersten Messe des Papstes erleben. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes in Santiago de Cuba überwand ein Mann die Absperrungen, lief in Richtung des Altars und rief "Nieder mit dem Kommunismus", bevor ihn Sicherheitskräfte stoppten.

Die Erwartungen sind hoch
Ein offizielles Treffen mit Raul Castro ist Dienstagnachmittag (Ortszeit) im Palast der Revolution in Havanna geplant. Offen ist weiter, ob der Papst auch mit Rauls Bruder Fidel Castro zusammentreffen wird. "Im Programm nicht vorgesehen, aber durchaus möglich", lautet bislang die Sprachregelung des Vatikan. Fest steht hingegen: Entgegen Spekulationen wird es keine Begegnung des Papstes mit Hugo Chavez geben. Der venezolanische Präsident hält sich gegenwärtig zu einer medizinischen Behandlung auf Kuba auf.

Deutliche Kritik an der kommunistischen Staatsform hatte Benedikt XVI. schon zum Auftakt seiner Lateinamerikareise am Freitag geäußert. "Es ist heute offensichtlich, dass die marxistische Ideologie, so wie sie einst entworfen wurde, keine Antworten mehr auf die Fragen der Gegenwart bietet", sagte er auf dem Flug nach Mexiko. Dass er sich auf den Marxismus in seiner ursprünglichen Form bezog, war wohl weder unbedacht noch ein Plädoyer für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Benedikt XVI. bot im gleichen Atemzug an, in einem "konstruktiven Dialog" nach neuen Modellen zu suchen. Die katholische Kirche stehe jedoch immer auf der Seite der Gewissens- und Religionsfreiheit.

Bis Mittwoch bleibt der Papst in Kuba. Die Erwartungen sind hoch. Nach oben geschraubt wurden sie zuletzt noch einmal durch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, die Nummer Zwei in der Hierarchie der katholischen Kirche. Bertone zeigte sich in einem Interview kurz vor Reisebeginn überzeugt, der Besuch Benedikts XVI.