Bodo Ramelow zum Linken-Protest gegen die Papstrede im Bundestag

Nachtreten? Schwierig!

Die Hälfte aller Linken-Abgeordneten will der Bundestagsrede von Benedikt XVI. fernbleiben. Dem Papst zuhören will Bodo Ramelow. Warum - und weshalb er gleichzeitig seine Parteikollegen versteht, erklärt der ehemalige religionspolitische Sprecher seiner Partei im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Was halten Sie von dieser Aktion von Teilen ihrer Partei?

Ramelow: Das ist ja keine Aktion. Das ist einfach eine Klarstellung und eine klare Aussage: dass es keinerlei Protestaktionen im Parlament geben wird, dass es also hier keine negativen Situationen geben wird. Ganz im Gegenteil. Ich selber werde auf der Zuschauertribüne gemeinsam mit dem Vertreter der liberalen Juden Deutschlands und dem Zentralrat der Muslime der Rede des Papstes lauschen. Und wir werden davor einen Empfang haben durch unseren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi. Und ich finde es fair und richtig, dass diejenigen meiner Bundestagsfraktion, die sagen, sie haben kein inneres Verhältnis zum Glauben oder zum Papsttum, dass die sagen: Wir werden dann auch an der Sitzung nicht teilnehmen. Ich finde, es ist jedem freigestellt - und keine Pflichtveranstaltung, sondern diejenigen, die auch aus innerem Herzen da sind, werden zuhören. Und diejenigen, die Probleme mit zum Beispiel der Sexualauffassung des Vatikan haben, werden das tun, was ihr gutes Recht ist, sie werden an einer anderen Stelle in Berlin demonstrieren.



domradio.de: Ein Hauptanliegen der Kritiker ist es ja, dass Kirche bzw. Kirchenvertreter im Bundestag nichts zu suchen haben - das Religion und Politik sich nicht vermischen sollte. Eine berechtigte Kritik?

Ramelow: Mir wäre es lieber gewesen, als die Einladung an Benedikt XVI. ausgesprochen wurde, offiziell an den Vertreter des Vatikanstaates, hätte man auch den Dalai Lama einladen können. Der war zu dem Zeitpunkt auch Religions- und Staatsführer. Das wäre eine mutige Geste des deutschen Bundestages gewesen. Man hat aber leider dann nur eine Entscheidung getroffen für den Heiligen Vater. Ich finde, die Einladung ist ausgesprochen, das Nachtreten heute finde ich ein bisschen schwierig, das findet ja auch in der SPD statt. Es gibt ja auch bei den Grünen Kritiker. Trotzdem habe ich von Anfang an dafür geworben: Wenn man eine Einladung ausspricht, auch diese Einladung, dann muss man ihr hinterher mit Höflichkeit folgen. Ich selber war als Vertreter des Deutschen Bundestages bei Benedikt XVI. zu einer Audienz. Da waren die kirchen- und religionspolitischen Sprecher des Bundestages gemeinsam dort. Für mich als evangelischen Christen war das eine spannende Veranstaltung. Und ehrlich gesagt, freue ich mich auch darauf, dass Benedikt XVI. im Augustinerkloster zu Erfurt meiner evangelischen Kirche zugesagt hat. Ich hoffe immer noch darauf, dass in Richtung Ökumene ein bisschen was in Gang kommt.



domradio.de: Sie haben gerade den Dalai Lama angesprochen. Glauben Sie, dass Teile ihrer Partei auch einer Rede von ihm fernbleiben würden?

Ramelow: Das weiß ich nicht, welche Teile des Bundestages dann abwesend gewesen wären. Ich hätte es auf alle Fälle spannend gefunden. Und es wäre ein gleiches Maß, dass ein Religionsführer, der gleichzeitig Staatsoberhaupt ist, kann in einem Parlament sich auch zu Wort melden. Ich finde auch, dass es ethische Fragen gibt, über die es sich lohnt, miteinander im Gespräch zu sein.



domradio.de: Ist die Reaktion von Teilen ihrer Partei, was den Papstbesuch betrifft, auch ein Zeichen dafür, dass sie als Nachfolgepartei der SED noch nicht in der Gegenwart angekommen sind?

Ramelow: Ehrlich gesagt, finde ich die Fokussierung auf die Bundestagsfraktion der Linken etwas schräg, weil es war in der SPD die AG Laizismus, die zugelassen werden wollte. Und es kam aus der SPD die klare Absage, dass der Papst doch bitte wieder ausgeladen werden sollte. Ich höre ähnliche Töne bei den Grünen, wo Volker Beck sich eindeutig geäußert hat. Es scheinen doch nicht nur die Stimmen der Linken zu sein. Und: Nein, es sind nicht die Ostdeutschen, es auch überwiegend Westdeutsche aus der Bundestagsfraktion, die haben mit der SED wirklich gar nichts zu tun.



Das Gespräch führte Monika Weiß.