Deutscher Mönch begleitet Papst auf Zypern-Reise

"Der Weg zu einer großen Geschwisterlichkeit"

Franziskus hebt auf Zypern den Finger, um auf wichtige Themen neben der Corona-Pandemie aufmerksam zu machen. "Das finde ich eigentlich sehr erfrischend", sagt der deutsche Benediktiner Nikodemus Schnabel, der den Papst begleitet.

Papst Franziskus kommt am Flughafen Larnaka an / © Alessandra Tarantino/AP (dpa)
Papst Franziskus kommt am Flughafen Larnaka an / © Alessandra Tarantino/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn aus mit den Corona-Regeln für den Besuch? Wie viele Leute können überhaupt an den Messen und Veranstaltungen teilnehmen?

Pater Nikodemus Schnabel OSB (Patriarchalvikar für Migranten und Asylsuchende des Lateinischen Patriarchats Jerusalem): Die Corona-Regeln sind sehr streng. Es gibt sozusagen einen "Cyprus Pass" oder einen "Green Pass", den Zypern ausstellt. Dann wurden alle getestet, noch mal mit einem PCR-Test bei Ankunft in Zypern und es gilt eben Maskenpflicht in Räumen.

Wirklich alle, die da sind, müssen geimpft sein und getestet. Man kann sagen, dass es wirklich ganz strenge Maßnahmen sind. Es wird schon darauf geachtet. Auch war die Kirchentür offen in der Kathedrale, bei den Maroniten, da wird schon drauf geachtet.

DOMRADIO.DE: Wie sieht das beim großen Gottesdienst im Fußballstadion aus?

Schnabel: Ich bin selbst gespannt. Ich habe es ja nicht vorbereitet. Natürlich ist das Stadion open air und hat immer den Vorteil, dass da ein guter Wind geht und hier ist auch immer Wind.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus wird auch die Insel Lesbos besuchen, da war er 2016 schon mal. Er sprach damals von der größten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg und den Menschen auf der Insel hat er gesagt, sie sollen die Hoffnung nicht verlieren. Jetzt sitzen aber immer noch viele Menschen da fest. Warum wiederholt der Papst diesen Besuch jetzt nach fünf Jahren?

Schnabel: Man kann ja fragen, warum jetzt? Wir haben Corona. Aber genau deswegen findet dieser Besuch jetzt statt, weil wir quasi so fixiert auf die Pandemie sind, dass der Papst eigentlich sozusagen noch mal den Finger hebt und sagt "Liebe Welt, bitte nicht vergessen". Und er hat das auch gestern Abend sehr schön gesagt. Es gibt so eine Sehnsucht nach dem Zurück zu "vor Corona". Aber vor Corona war nicht alles super.

Das heißt, die Fragen hier auf Zypern zum Beispiel sind immer noch wichtig. Die Insel ist immer noch geteilt, eine klaffende Wunde in Europa. Die Ökumene, wir sind als Kirche immer noch geteilt. Wir haben eine verwundete Einheit. Und das dritte ist die Frage von Migration: 80 Millionen Menschen auf der Welt sind gerade auf der Flucht.

All das war auch schon vor Corona brennend. Wenn wir uns nostalgisch nach der guten alten Zeit vor Corona sehnen, sollten wir uns vor Augen halten, dass die nicht so schön war.

Da finde ich eigentlich sehr erfrischend, dass er die Welt noch mal ermahnt. Er hat diese schönen Begriffe "Habt Geduld", "Weitermachen" und "Geschwisterlichkeit". Das zitiert er immer wieder, auch in der neuesten Enzyklika "Fratelli tutti". Ich habe das Gefühl, er merkt so ein bisschen, dass diese Enzyklika nicht ganz so euphorisch aufgenommen worden ist wie "Laudato si", seine Umwelt-Enzyklika.

Bei Klimaschutz sind viele dabei. Aber wenn es um diese Geschwisterlichkeit aller Menschen geht, um Migration und so weiter, da kriselt es, auch bei manchem Katholikinnen und Katholiken. Ich glaube, er hat das Gefühl, dass er es da noch mal klarer und deutlicher betonen muss, dass das ein Thema ist.

DOMRADIO.DE: Franziskus will auf seiner Rückreise, wie schon 2016, wieder Geflüchtete mit nach Rom nehmen. Ist das symbolisch oder was steckt dahinter?

Schnabel: Er macht es einfach vor. Es gibt so manche Kritiker, die sagen, dass der Vatikan doch Leute aufnehmen soll. Ja, das tut er ja. Im Endeffekt geht er ja voran und sagt "Ja, Leute, ich bin jetzt nicht der, der euch irgendwas erzählt, also quasi Wasser predigt und Wein trinkt". Sondern das ist ja authentisch. Das ist sein Appell, dieses mehr gemeinsam, diese Geschwisterlichkeit aller Menschen. Das ist ein großes Thema von "Fratelli tutti", seiner letzen Enzyklika. Das ist das, was er auch immer wieder betont.

Zum Beispiel haben wir heute Nachmittag, das für mich persönlich mein eigener Höhepunkt dieser Reise, ein ökumenisches Gebet mit Migranten. Da, finde ich, kommt genau das zusammen. Einerseits ökumenisch, also zu zeigen, dass wir als Christenheit, als Getaufte gemeinsam vor Gott uns hinstellen müssen, mit allen Menschen, egal welchen Pass sie haben. Ich finde es so wichtig, Corona verdrängt gerade ganz viele Themen. Der Papst ist jetzt sozusagen der, der sagt "Liebe Welt, bitte, wir haben noch andere Themen, die dürfen jetzt nicht vergessen werden".

DOMRADIO.DE: Eine große Rolle bei dieser Reise spielt auch die Beziehung zu den orthodoxen Christen. Welche Knackpunkte gibt es denn da in der Ökumene?

Schnabel: Erst mal ist es ein starkes ökumenisches Zeichen, dass der heilige Synod, sprich die gesamte Leitungsebene, nicht nur das Oberhaupt, den Papst empfängt. Das ist schon ökumenisch stark.

Die zypriotische orthodoxe Kirche ist eine sehr ökumenisch offene Kirche. Aber natürlich ist einfach die Verwundung der Kirchenspaltung da. Natürlich geht es weiter darum, einfach das Gedächtnis zu reinigen, einfach auch noch mal hinzuschauen, wie wir uns getrennt haben, was da Faktoren waren. Oft waren es ja sehr stark politische Faktoren und einfach auch sich gegenseitig anzuerkennen, zu sagen "Wir sind Getaufte, wir sind Geschwister in Gott".

Wenn wir von der Geschwisterlichkeit aller Menschen reden, bevor wir also die ganz große Geschwisterlichkeit aufmachen, sollten doch bitte wir als Getaufte mal anfangen. Wir glauben ja sozusagen eigentlich dasselbe und haben die selbe Taufe. Das heißt, wenn wir schon nicht als Christen glaubwürdig in Geschwisterlichkeit leben, wie sollen wir das glaubwürdig der Welt vermitteln?

DOMRADIO.DE: Welche Impulse erwarten die Menschen in Zypern von dieser Papstreise gerade auch im Hinblick auf das geteilte Land?

Schnabel: Das Motto ist ja auch dieses "sich trösten", also von Gott getröstet werden. Diese Barmherzigkeit Gottes zu spüren. Die Worte des Papstes waren eigentlich sehr zärtlich, liebevoll. Er hat ja von dieser Perle im Mittelmeer gesprochen. Er hat noch mal an die wunderbare Vergangenheit, sozusagen das erste europäische Land, was christianisiert wurde, was ein Brückenkopf ist zwischen Europa und Asien, erinnert.

Ich glaube, es war einfach auch so ein "Seele streicheln", weil dieses Land natürlich stark vom Tourismus lebt und natürlich massiv betroffen ist von Corona. Und kein anderes Land der Europäischen Union hat prozentual so viele Geflüchtete aufgenommen wie Zypern. Das heißt, dieses Land ist durchaus tapfer in dem, wie es sozusagen sich öffnet und die Not sieht und ist aber selbst von Not stark betroffen. Natürlich auch weiterhin von der Not, dass diese Hauptstadt, ich bin direkt an der Grenze, geteilt ist. Das ist, gerade für einen Deutschen, heftig das zu erleben, dass es im Jahr 2021 noch inmitten der Europäischen Union, eine geteilte Hauptstadt mit Grenzposten und Maueranlagen gibt.

Das ist schon heftig und ich glaube einfach, dass der Papst klar macht "Ich habe euch nicht vergessen. Ich bin bei euch und sehe euch". An die Ränder zu gehen ist ja auch sein großes Thema. Und eigentlich auch dieses "Habt Geduld und lebt und versucht einfach weiter auf dem Weg zu gehen, den ihr schon angefangen habt, hin zu einer großen Geschwisterlichkeit".

Das Interview führte Carsten Döpp.


Benediktinerpater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Benediktinerpater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema