Betrugsanschuldigungen gegen die Mystikerin Marthe Robin

Hat die französische Resl von Konnersreuth nur andere kopiert?

​Hat die Mystikerin Marthe Robin andere Autoren kopiert? Dieser Frage geht ein neues Buch des Historikers Conrad De Meester nach. Er spricht von "mystischem Betrug". 2014 sprach der Papst Robin den heroischen Tugendgrad zu.

Autor/in:
Georges Scherrer und Alexander Brüggemann
Versiegelte Dokumente / © Guillaime Poli (KNA)
Versiegelte Dokumente / © Guillaime Poli ( KNA )

Für den belgischen Historiker und Ordensmann Conrad De Meester "sind die betrügerischen Handlungen so häufig und so brillant inszeniert, dass es unmöglich ist, dass Marthe nichts davon wusste"; die geistliche Botschaft der französischen Mystikerin Marthe Robin (1902-1981) stamme gar nicht von ihr selbst. Ihre Schriften seien das Ergebnis eines klugen, aber betrügerischen Flickwerks von Dutzenden mystischer Autoren.

Der Theologe und Spezialist für christliche Mystik war 1988 gebeten worden, Robins Texte mit Blick auf ihren Seligsprechungsprozess zu studieren. Als er im Dezember 2019 starb, entdeckte sein Klostervorsteher das Manuskript des 400 Seiten umfassenden Buches, an dessen Ende De Meester zu einem kompromisslosen Schluss kommt: Robin habe die Welt getäuscht.

Der Karmelit De Meester erhebt ernsthafte Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Phänomene wie Lähmung, Stigmata und Fehlen von Nahrung. Über ein halbes Jahrhundert soll die Mystikerin mit Ausnahme der geweihten Hostie nichts gegessen haben - wie in Bayern die Schneiderstochter und Bauernmagd Therese Neumann (1898-1962), genannt "Resl von Konnersreuth".

Ab 27. Lebensjahr gelähmt

Marthe Robin stammte aus einem Dorf im ländlichen Hügelland der Drome im Südwesten Frankreichs. Die schon als Kind stets kränkliche Bauerstochter war ab ihrem 27. Lebensjahr gelähmt und ans Krankenbett gefesselt; 1940 erblindete sie zusätzlich. Ab 1930 trug sie laut der Überlieferung die Wundmale Christi ("Stigmata") und erlebte allwöchentlich das Leiden Christi so intensiv, dass ihr Blut über das Gesicht strömte.

Nachdem die Dorfbewohner sie zunächst als vermeintlich "hysterisch" gemieden hatten, wirkte ihre Ausstrahlung allmählich anziehend auf die Christen der Region und bald auch darüber hinaus. 1938 gelang es Robin, die Gründung eines "Foyer de Charite" (Haus der Barmherzigkeit) zu veranlassen, das christliche Exerzitien anbot. Bis 2011 entstanden weltweit 75 Niederlassungen solcher Foyers.

Zehntausende Menschen besuchten die Mystikerin an ihrem Krankenbett, und bei ihrer Totenmesse 1981 konzelebrierten vier Bischöfe und rund 200 Priester. Alljährlich pilgern mehrere zehntausend Besucher zu dem Zimmer, in dem Robin fast ihr gesamtes Leben verbrachte.

Unterschiedliche Meinungen

In der Zeitschrift "Famille Chretienne" widerspricht eine der Betreiberinnen des Seligsprechungsprozesses Marthe Robin dem Belgier De Meester. 28 Experten hätten an den bisherigen Untersuchung teilgenommen, schreibt Sophie Guex. Sie argumentiert: "Wenn man nur einer Meinung glaubt, dann bedeutet dies, dass man alle anderen ignoriert, die die Kirche dazu veranlasst haben, 2014 ein positives Urteil über Marthe Robin abzugeben."

"Es stimmt, dass Marthe ganze Absätze von anderen Mystikern ausgeliehen hat", räumt Guex ein. Da Marthe blind geworden war, habe sie die Fähigkeit erworben, sich die Texte zu merken, die ihr vorgelesen wurden. So sei es nur logisch, dass sie Passagen wiedergab, wenn sie den Sekretären ihre Kommentare diktierte.

Nach 1945 habe sich Marthe zudem von diesen Vorbildern gelöst, weil sie "eine mystische Reife erlangt" habe. Auch habe es sich bei Marthes Schriften meist um persönliche Notizen gehandelt, die ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen seien.

Die 1986 eingeleitete kanonische Untersuchung sei mit äußerster Ernsthaftigkeit durchgeführt worden, betont Guex. In der diözesanen Phase seien Zeugenaussagen und Expertenberichte gesammelt worden - darunter auch solche von Pater de Meester.

Die gesamte Dokumentation sei geprüft und seit 1998 durch römische Recherchen bis 2014 ergänzt worden. Tatsächlich gaben die Mitglieder der Seligsprechungskongregation am Ende dieses Prozesses eine positive Stellungnahme ab - die Papst Franziskus bestätigte und ihr den sogenannten heroischen Tugendgrad zusprach; ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung. Ob das nun posthum erschienene De-Meester-Buch einen Einfluss auf das Verfahren haben wird, muss sich zeigen.


Quelle:
KNA