Politik erinnert an Verfolgung der Sinti und Roma

"Nicht das Ende des Leidensweges"

Anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktages für Sinti und Roma haben Spitzenvertreter der Politik an die Ermordung von mehr als 500.000 Angehörigen ihrer Volksgruppen in der NS-Zeit erinnert.

Autor/in:
Christine Xuân Müller
Gedenkstätte für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma / © Michael Kappeler (dpa)
Gedenkstätte für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma / © Michael Kappeler ( dpa )
Bodo Ramelow im Portrait / © Martin Schutt (dpa)
Bodo Ramelow im Portrait / © Martin Schutt ( dpa )

Bei einer Gedenkfeier in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau betonte Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag: "Genau wie Juden und andere Minderheiten wurden Sinti und Roma bis in den Tod verfolgt, weil eine rassistische Ideologie ihnen das Recht zu leben absprach."

Ramelow war den Angaben zufolge der erste deutsche Bundesratspräsident, der in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eine Rede hielt. Dort legte er auch einen Kranz für alle Opfer des Vernichtungslagers nieder. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) wollte am Dienstagabend in Berlin am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma einen Kranz niederlegen.

Tausende Morde in einer Nacht

Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau waren vor 78 Jahren, am 2. August 1944, von der SS 4.300 Sinti und Roma ermordet worden. "Kinder, Frauen und Männer - umgebracht in einer einzigen Nacht", sagte Ramelow. Er verwies darauf, dass die Wurzeln des Rassismus tief reichten. "Rassismus ist eine Form der Ausgrenzung, die stets zu Gewalt führt und im Nationalsozialismus als Staatsverbrechen organisiert wurde", sagte der Thüringer Ministerpräsident.

Mit Blick auf die Behandlung von Sinti und Roma nach der NS-Zeit sprach der Bundesratspräsident von einer "zweiten Verfolgung", die aufgearbeitet werden müsse. Nötig sei mehr Forschungsinteresse an dem Thema.

Diskriminierung bis heute

Claudia Roth (dpa)
Claudia Roth / ( dpa )

Auch Kulturstaatsministerin Roth betonte, dass das Ende der Nazi-Herrschaft nicht das Ende des Leidenswegs der Volksgruppe gewesen sei. Bis heute gehörten Diskriminierung, Ausgrenzung und Antiziganismus zum Alltag vieler Sinti und Roma in Deutschland.

Ramelow und Roth sprachen sich für mehr Sichtbarkeit der vielfältigen Kultur, Geschichte und Lebenswirklichkeit der Volksgruppe aus. "Sinti und Roma leben seit über 1.000 Jahren unter uns und mit uns", betonte Ramelow. Auch für eine Ausweitung der Erinnerungskultur sprachen sich der Bundesratspräsident und die Kulturstaatsministerin aus.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg mahnte Ramelow zudem besonders hinzuschauen, "wie alle Beteiligen während des Krieges gegen die Ukraine mit den Roma und anderen Minderheiten umgehen". Der Krieg dürfe nicht als Vorwand für eine Vertreibung der Roma aus der Ukraine dienen.

"Besorgniserregende Situation"

Auch EU-Kommissarin Helena Dalli wies bei der internationalen Gedenkfeier in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau auf die besorgniserregende Situation der Menschen hin, die aus der Ukraine vor dem russischen Angriffskrieg fliehen, unter ihnen viele Roma. Alle EU-Mitgliedstaaten seien gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass alle Roma-Flüchtlinge in ihrem Hoheitsgebiet aufgenommen und die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen berücksichtigt würden.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma / © Monika Skolimowska (dpa)
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma / © Monika Skolimowska ( dpa )

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, warnte vor einer Zunahme von Antisemitismus und Antiziganismus. Auch der Holocaust-Überlebnde Christian Pfeil aus Trier sowie der Vorsitzende des Verbands der Roma in Polen, Roman Kwiatkowski, nahmen an der Gedenkfeier teil. Besonders die junge Generation rief Pfeil dazu auf, sich stark zu machen für die Demokratie. Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus müsse man entschieden widersprechen. Kwiatkowski forderte mehr gesellschaftliche Gleichberechtigung für Sinti und Roma.

Quelle:
KNA
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