Renovabis zur Papstreise nach Rumänien

"Es regiert das Prinzip Hoffnung"

Im orthodox gesprägten Rumänien sind Katholiken eine Minderheit. Während des Kommunismus wurden die römisch-katholische und die griechisch-katholische Kirche massiv unterdrückt. Was bedeutet der Papstbesuch den Menschen im Land?

Papst Franziskus winkt bei seiner Ankunft am Flughafen in Bukarest / © Vadim Ghirda (dpa)
Papst Franziskus winkt bei seiner Ankunft am Flughafen in Bukarest / © Vadim Ghirda ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Rumänien leben rund anderthalb Millionen Katholiken. Sie teilen sich auf in die römisch-katholische und in die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche auf. Wie präsent sind die Katholiken in der rumänischen Öffentlichkeit?

Theresa Grabinger (Länderreferentin für Rumänien beim katholischen Osteuropa-Hilfswerk Renovabis): Das ist eine schwierige Frage. Rumänien ist ein mehrheitlich orthodox geprägtes Land. Über 80 Prozent bekennen sich zur unabhängigen rumänisch-orthodoxen Kirche. Aber die Katholiken, knapp fünf Prozent der Bevölkerung, sind keine einheitliche Gruppe. Es gibt Katholiken, die dem lateinischen oder dem byzantinischen Ritus angehören – und Katholiken, die sich stark über ihre Muttersprache definieren: rumänische oder ungarische Katholiken. Diese Gruppen treten selten mit einer einheitlichen Stimme auf – abgesehen von der gemeinsamen Bischofskonferenz. Deswegen ist es stark von dem Thema und der Region abhängig, ob die Katholiken überhaupt in der Öffentlichkeit präsent sein können.

DOMRADIO.DE: Die orthodoxe Kirche Rumäniens hat alle Rumänen eingeladen, an der Begegnung des Papstes mit Patriarch Daniel Ciobotea am Freitag teilzunehmen. Wie ist das Verhältnis zwischen katholischer und orthodoxer Kirche?

Grabinger: Die Einladung des Patriarchen spiegelt das sehr schön wider. Anders als kürzlich in Bulgarien, wo eigentlich nur ein Nebeneinander und kaum ein Miteinander möglich war, ist in Rumänien eine ökumenisch sehr viel offenere Grundhaltung vorhanden. Auch das ist regional und lokal unterschiedlich, aber Patriarch Daniel hat da eine sehr pragmatische Haltung. Ich denke, es ist ein sehr schönes Zeichen, dass wirklich alle Interessierten, alle Gläubigen oder Nichtgläubigen eingeladen wurden, gemeinsam mit dem Papst und dem Patriarchen in der neuen Nationalkirche zu beten.

DOMRADIO.DE: Also können Sie sich vorstellen, dass der ein oder andere Rumäne dieser Einladung folgen wird?

Grabinger: Auf jeden Fall. Die Rumänen sind ein sehr spirituelles und sehr offenes Volk. Der Papst ist eine sehr positiv besetzte und sehr beliebte Figur. Und ich denke auch, an allen anderen Stationen der Reise werden nicht-katholische Christinnen und Christen dabei sein und gemeinsam den Papst feiern. Das Motto des Papstbesuch lautet ja "Lasst uns gemeinsam gehen". Ich denke, da fühlen sich alle angesprochen.

DOMRADIO.DE: Manche osteuropäischen Länder wie Ungarn oder auch Italien machen durch Europaskepsis und nationalistische Tendenzen von sich reden. Wie sieht denn das gesellschaftliche Miteinander in Rumänien aus?

Grabinger: Kritik an der Europäischen Union gibt es reichlich, gleichzeitig liegt eine positive Haltung hinter allem. In Rumänien beobachtet man, dass die EU eine große Rolle bei den großen und raschen Umwälzungen nach 1989 gespielt hat, in denen sich so viel verändert hat, was man für absolut unveränderlich hielt. Grundsätzlich ist man der EU gegenüber positiv eingestellt. Es kommen ja auch viele finanzielle Hilfsleistungen aus anderen EU-Ländern, die in Infrastruktur und Sozialprojekte investiert werden. Gleichzeitig ist eine Skepsis vorhanden, in der ich immer meine, eine Grundangst herauszuspüren, ob die Unabhängigkeit als freier Nationalstaat jetzt schon wieder bedroht ist.

DOMRADIO.DE: Franziskus spricht auf seiner rumänischen Reise sieben griechisch-katholische Bischöfe selig, die im 20. Jahrhundert wegen ihres Glaubens ums Leben kamen. Wie wichtig ist diese Geste für das Selbstvertrauen der Katholiken als Minderheit in Rumänien?

Grabinger: Für das Selbstbewusstsein der griechisch-katholischen Kirche kann dieses Ereignis an Bedeutung nicht überschätzt werden. Ich war vor zwei Wochen selber auf Projektreise in Blaj, zu Deutsch Blasendorf, wo das Zentrum der griechisch-katholischen Kirche ist und wo gerade die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen. Sie müssen sich das vorstellen, es ist eine kleine Stadt mit knapp 20 000 Einwohnern, die einen unglaublichen Ansturm erwartet. Man erwartet knapp 100 000 Pilgerinnen und Pilger für diese Seligsprechung.

Die griechisch-katholische Kirche in Rumänien wurde 1948 per Dekret aufgelöst, mit der orthodoxen Kirche zwangsvereinigt und enteignet. Von diesem Schlag hat sich die Kirche eigentlich bis heute nicht erholt. Es folgten Jahrzehnte im Untergrund. Die Bischöfe wurden festgesetzt, in Lager gebracht oder unter Hausarrest gestellt. Einige sind in den Lagern oder an den Folgen der Misshandlungen gestorben. Aber in dem Widerstand, den diese Bischöfe geleistet haben, liegt ein ganz starkes Zeugnis ihres Glauben, und heute sind sie wichtige Identifikationsfiguren für die Gläubigen.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie es erlebt, als sie vor Ort waren? Hunderttausend erwartete Pilgerinnen und Pilger. Da kann einem ja auch schon mal bange werden. War denn trotzdem noch ein wenig Vorfreude dabei?

Grabinger: Da ist unglaublich viel Vorfreude dabei. Da regiert gerade das Prinzip Hoffnung: Der Papst kommt und wir freuen uns einfach darüber. Alles andere müssen wir hinkriegen und werden es irgendwie hinkriegen. Und, wie gesagt, die Leute vor Ort sind nicht alleine. Alle anderen griechisch-katholischen Bistümer unterstützen soweit wie möglich. Man arbeitet gut zusammen, um allen Leuten, die teilnehmen wollen, die Teilnahme zu ermöglichen.

Das Interview führte Moritz Dege.


Klaus Iohannis, Präsident von Rumänien, begrüßt Papst Franziskus / © Vadim Ghirda (dpa)
Klaus Iohannis, Präsident von Rumänien, begrüßt Papst Franziskus / © Vadim Ghirda ( dpa )

Plakat mit dem Kopf des Papstes / © Vadim Ghirda (dpa)
Plakat mit dem Kopf des Papstes / © Vadim Ghirda ( dpa )

Papst Franziskus verlässt das Flugzeug bei seiner Ankunft am Flughafen von Otopeni, Rumänien / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus verlässt das Flugzeug bei seiner Ankunft am Flughafen von Otopeni, Rumänien / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR