Wie Päpste politisch vermitteln

"Eine tausendjährige Tradition"

Venezuela steckt in einer tiefen Krise. Nach Nicolàs Maduro hat nun auch Interimspräsident Juan Guaidó den Papst um Hilfe gebeten. Dieser hat sich grundsätzlich zur Vermittlung bereit erklärt. Doch kann er überhaupt Einfluss nehmen?

Papst Franziskus lässt weiße Taube fliegen / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus lässt weiße Taube fliegen / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ein erster Vermittlungsversuch war gescheitert: Im Sommer vergangenen Jahres hatte Maduro offenbar gegebene Zusagen nicht eingehalten. Wie könnte denn Papst Franziskus Einfluss auf die Politik in Venezuela nehmen?

Professor Gerd Althoff (Historiker in Münster): Das Vermittlungsverfahren ist ja seit langem relativ festliegend. Er hat bestimmte Möglichkeiten und andere wiederum nicht. Er muss die Kommunikation zwischen den Parteien in Gang bringen. Er muss Vorschläge machen, und er muss sie zum Kompromiss drängen. Diesen Kompromiss würde er dann überwachen – in die Richtung, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden.

Was er nicht darf, ist selber Entscheidungen treffen. Er braucht die Zustimmung der Parteien. Im Grunde genommen lebt er vom Vertrauen beider Parteien. Deswegen war die Zustimmung Guidós auch so wichtig. Er lebt vom Vertrauen beider Parteien, dass er die beste Lösung finden wird.

DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn ein Vermittler eingesetzt wird, kommt das in der Regel von beiden Konfliktparteien, wie im Fall Venezuela. Das war also ganz wichtig?

Althoff: Ja, das ist immer so gewesen, dass häufig eine Partei die Initiative ergriff, aber die andere musste zustimmen. Und deswegen hat man immer Vermittler gewählt, die gute Beziehungen zu beiden Seiten hatten und das Vertrauen beider Seiten genossen. Im Unterschied zum Richter, der neutral sein muss, haben die Vermittler immer Beziehungen zu den Parteien, damit sie überhaupt dieses Vertrauen bekamen.

DOMRADIO.DE: Was kann aus ihrer Erfahrung heraus Franziskus im Falle Venezuela überhaupt bewirken?

Althoff: Das ist schwierig zu sagen. Zunächst einmal hat er den Vorteil, dass er absolut vertraulich arbeiten kann. Was hinter den Kulissen der Vermittlungsarbeit passiert, ist nicht einsehbar. Es ist eigentlich nie einsehbar und wird ganz selten später in Einzelheiten offengelegt.

Papst Franziskus muss, im Grunde genommen, beiden klarmachen: Euer Streit wird das Land ruinieren. Es muss eine Lösung gefunden werden, mit denen ihr beide leben könnt.

DOMRADIO.DE: Nicht die Gerichte entscheiden lassen und auf neutrale Vermittlung zu setzen, das scheint ja immer mehr in Mode zu kommen. Dabei ist das eine uralte Variante der Konfliktlösungen, oder?

Althoff: Ja, und es ist interessant, dass das heute auch gar nicht mehr bekannt ist – angesichts der Tatsache, dass es Berufsvereinigungen der Vermittler gibt und es international wie national viele Bereiche gibt, wo anstelle von Gerichten Vermittlung praktiziert wird.

Niemand weiß eigentlich, dass das eine über tausendjährige Einrichtung ist, die – und das ist eigentlich das Erstaunlichste – sich überhaupt nicht verändert hat. Wie Vermittler arbeiten, welche Rechte und welche Möglichkeiten sie hatten, ist schon vor über tausend Jahren so gewesen wie heute. Nämlich: Keine Entscheidung, sondern Kommunikation und Vertraulichkeit.

Und immer waren auch die Päpste natürlich auf Grund ihres Ranges, ihrer Würde geeignete Vermittler gerade in den großen internationalen Konflikten.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf die Geschichte: In der Annäherung zwischen Kuba und den USA soll Papst Franziskus eine große Rolle gespielt haben. Das haben vor ihm auch andere Päpste versucht. Johannes XXIII. hat während der Kuba-Krise vermittelt, auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Der Durchbruch ist Franziskus gelungen. Was hat er denn anders gemacht als seine Vorgänger?

Althoff: Das ist natürlich wieder eine Frage, die man wahrscheinlich nicht genau beantworten kann, weil seine Erfolgsstrategie nicht veröffentlicht worden sind. Er hat es geschafft – ob die Kubaner mehr Einsichten hatten oder die Amerikaner – es hat irgendwann gewirkt.

Während sich in anderen Fällen, wie in Ägypten und Israel, 70 Jahre lang Vermittler immer wieder abgearbeitet haben und bis heute keinen wirklichen Durchbruch erzielen konnten.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist die Herkunft bei einer solchen Vermittlung? In der Vermittlung mit Kuba kam Franziskus, so sagt man, seine lateinamerikanische Herkunft zugute. Ist das so?

Althoff: Ja, das würde ich in jedem Falle sagen. Die Erfahrung zeigt: Je näher die Vermittler an allen beteiligten Parteien sind, desto größere Chancen haben sie – das ist klar. Wahrscheinlich, weil sie sich einerseits am besten in die Problematik einbringen können. Andererseits aber auch, weil das Vertrauen schon da ist. Ohne Vertrauen gibt es mit Sicherheit keine Lösung.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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