Eine Pressekonferenz des Papstes kann vieles klären - oder nicht

​Christi Stellvertreter stellt sich den Medien

Heikle Themen im Vatikan erörtert Franziskus direkt mit Journalisten. Die Frage-und-Antwort-Runden bei Papstreisen versprechen Transparenz - aber das Format hat auch Tücken.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Papst Franziskus im Flugzeug / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus im Flugzeug / © Paul Haring ( KNA )

Am Dienstag dürfte manches klarer werden, was die Krise in der katholischen Kirchenleitung angeht: die Missbrauchsskandale; ein drohendes Zerwürfnis der US-Bischöfe; wirre Theorien ultrakonservativer Katholiken, die Reformkräfte im Vatikan seien eine Art Schwulenclub. Denn Papst Franziskus gibt auf dem Rückflug von Estland eine Pressekonferenz. Dann gibt es Klarheit - oder neue Rätsel.

Für manche Redaktionen sind allein die Pressegespräche auf Papstreisen ein Grund, einen Platz im Tross Seiner Heiligkeit zu buchen. Der vatikanische Pressestab schaut diesen Fragerunden mit dem Kirchenoberhaupt auch mit leiser Bangigkeit entgegen. Was der Chef in freier Rede sagt, hat niemand in der Hand.

Benedikt XVI.: Vorherige Themenauswahl

Kontakt mit Journalisten pflegte schon Johannes Paul II. (1978-2005). Anfangs ging er im Flugzeug durch die Reihen, scherzte, gab hier ein Statement, da ein Interview. Der Gleichbehandlung und Effizienz halber führte man ordentliche Pressekonferenzen ein. Mit fortschreitender Schwäche des Papstes wurden sie kürzer. Schließlich sandte er nur noch ein Grußwort aus der Ersten Klasse nach hinten.

Benedikt XVI. (2005-2013) ließ die Tradition wiederaufleben, allerdings mit neuem Profil. Die Pressebegegnungen, selten länger als 15 Minuten, sollten der Vorbereitung auf die Reise dienen; er hielt sie zu Beginn und wünschte eine inhaltliche Ausrichtung auf Themen des Ziellands.

Benedikt XVI. verstand die Termine als Teil seines Lehramts; um nicht unüberlegt zu antworten, wollte er die Fragen vorab sehen. Sein Presseamtsleiter Federico Lombardi wählte sie aus zuvor eingereichten Zetteln und E-Mails aus. Es riecht nach Zensur, aber die Praxis belegt, dass Lombardi journalistisch fair zu Werke ging; den Papst verschonte er nicht vor unbequemen Themen.

Franziskus: Freier Austausch

Franziskus hat ein anderes Konzept: freien Austausch. Damit die Pressekonferenzen sich nicht nachrichtlich vor die Reise schieben, verlegte er sie auf den Rückflug. Die Organisation übernehmen die Vatikan-Korrespondenten; den Auftakt machen Medien des Gastlandes, dann folgen Sprachgruppen - Italienisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch.

Vatikansprecher Greg Burke bekommt vorab nur eine Liste der Fragesteller, nicht die Fragen selbst. Ob Franziskus auf den Lieblingskuchen seiner Kindheit, den Brexit oder Diakoninnen in der frühen Kirche angesprochen wird, alles ist drin. Der Papst pariert wendig - und ausdauernd: Bis zu eineinhalb Stunden dauerten die Treffen, im Stehen und unter den nicht ganz leichten akustischen Bedingungen eines fliegenden Jets.

Pannen in der Vergangenheit

Es gab Pannen. Schon beim besonnenen Benedikt XVI., als er 2009 auf dem Weg nach Kamerun sagte, Aids lasse sich mit Kondomen nicht besiegen - "im Gegenteil, sie vergrößern das Problem". Das Staatssekretariat versuchte, eine stillschweigend weichgespülte Textfassung in Umlauf zu bringen; die Rettungsaktion verunglückte erwartungsgemäß.

Bei einer anderen Gelegenheit - es ging um die Exkommunikation von Politikern, die liberale Abtreibungsgesetze befürworten - hatte Benedikt XVI. anscheinend den Fragezusammenhang nicht genau verstanden. In beiden Fällen musste Lombardi die Äußerungen zurechtrücken.

Vorwurf der Manipulation

Ähnliches passierte Franziskus Ende August auf dem Rückflug von Irland: Besorgten Eltern homosexueller Kinder riet er, gegebenenfalls auch psychiatrische Hilfe zu suchen. Der Vatikan strich das Wort "Psychiatrie" im Skript - und handelte sich prompt den Vorwurf der Manipulation ein.

Vielleicht war der 81-Jährige ein bisschen müde am Ende eines anstrengenden Besuchstags. Italienisch ist nicht seine Muttersprache; er stolperte etwas durch den Satzbau, und "Psychiatrie" und "Psychologie" sind schnell verwechselt.

Speziellste Pressekonferenz auf Erden

Franziskus geht unbefangen auf Journalisten zu; die meisten honorieren das mit Wohlwollen. Aber er spielt mit hohem Einsatz: So erschöpft er sein mag, so komplex die Sachverhalte sind - was der Papst aus dem Stegreif sagt, ist schwer von Lehr- und Leitungsentscheidungen zu trennen. Der Papst bleibt oberster Hirte, Lehrer und Richter seiner Kirche. Das macht die Fragerunde mit dem Stellvertreter Christi zur speziellsten Pressekonferenz auf Erden.


Quelle:
KNA