Unabhängigkeit, Marienfrömmigkeit und Ökumene

Papst Franziskus im Baltikum

Selten nimmt sich Franziskus so viel Zeit für eine Europa-Reise wie für das Baltikum Das viertägige Programm ist vielfältig. Offen bleibt: Wird Franziskus die verbreitete Korruption und Abwanderung ins Ausland ansprechen?

Vorfreude auf den Papst: Vom 22. bis 25. September besucht Franziskus das Baltikum.  / © Marion Sendker (DR)
Vorfreude auf den Papst: Vom 22. bis 25. September besucht Franziskus das Baltikum. / © Marion Sendker ( DR )

Franziskus nimmt stets die Ränder in den Blick - das gilt auch, wenn er Europa bereist. So führt seine 25.Auslandsreise den 81-jährigen Papst nach Osteuropa, ins Baltikum. Von Samstag bis Dienstag bereist er Litauen, Lettland und Estland.

Während er bei seinen bisherigen Europareisen eher auf eintägige Stippvisiten setzte, nimmt sich Franziskus für das Baltikum vier Tage Zeit. Der letzte Papstbesuch liegt 25 Jahre zurück. 1993 war der Pole Johannes Paul II. (1978-2005) dort.

Gemeinsamkeit der baltischen Länder: 100-jähriges Jubiläum

Das als Baltikum bekannte Dreiergespann wird oft als Einheit wahrgenommen. Historisch, religiös und sprachlich gibt es jedoch einige Unterschiede. So erwartet das Kirchenoberhaupt eine sehr facettenreiche Reise. Dies schlägt sich auch im Programm nieder, bei dem sich drei Schwerpunkte ausmachen lassen.

Ein gemeinsames Thema ist die staatliche Unabhängigkeit der Länder, die alle 1918 ausriefen. Dieses 100-Jahr-Jubiläum ist offizieller Anlass des Papstbesuchs und dürfte Thema seiner Reden vor Vertretern aus Diplomatie, Politik und Zivilgesellschaft sein. Er trifft sie jeweils in den Hauptstädten: Vilnius, Riga und Tallinn.

Die Unabhängigkeit hielt nur kurz, bis 1940; dann folgte bis 1991 die Sowjetherrschaft, die Spuren hinterließ. Auch für die katholische Kirche begann eine Durststrecke. In Vilnius besucht Franziskus das KGB-Museum, das an die Zeit der Besatzungen und Freiheitskämpfe erinnert. Vatikansprecher Greg Burke betonte kurz vor der Reise, dieser Ort sei "quasi ein Symbol der sowjetischen Besatzungszeit und der Folter". Hier ließen auch viele christliche Märtyrer ihr Leben.

Das Thema begleitet den Papst weiter: In Riga legt er am Freiheitsdenkmal Blumen nieder; in Tallinn feiert er eine Messe auf dem Freiheitsplatz.

Gedenken an jüdische Ghettos in Vilnius

Weiterer bedeutender Programmpunkt am Sonntag in Vilnius ist das Gedenken des Papstes an die Opfer des jüdischen Ghettos in Vilnius. Auf dem Weg zum Museum besucht Franziskus ein Denkmal und verweilt im stillen Gebet - in Anwesenheit der jüdischen Gemeinde und von Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite. Genau am 23. September vor 75 Jahren wurde das jüdische Ghetto in Vilnius zerstört. Der Termin wurde kurzfristig ins Programm aufgenommen.

In Litauen, das ans katholische Polen grenzt, hat der Papst fast ein Heimspiel: Hier sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung katholisch. Hingegen sind sie im eher protestantisch geprägten Lettland und in Estland in der Minderheit. Von den 1,9 Millionen Letten sind etwa ein Drittel Lutheraner, rund 21 Prozent katholisch und eine etwas kleinere Gruppe orthodox.

In Estland ist die Bevölkerungsmehrheit konfessionslos. Weniger als 30 Prozent bekennen sich zu einer christlichen Kirche, vor allem der lutherischen und der orthodoxen. Nur rund 6.000 der etwa 1,3 Millionen Esten sind katholisch.

Marienfrömmigkeit - ein Schwerpunkt der Papstreise

Ein starker Glaubenspfeiler ist die Marienfrömmigkeit. Sie bildet einen weiteren Schwerpunkt des Programms. Am Tag seiner Ankunft besucht Franziskus in Vilnius das "Tor der Morgenröte" mit der Marienikone "Muttergottes der Barmherzigkeit". Auch Papst Johannes Paul II. betete hier bei seinem Besuch.

Noch mehr ins Zentrum rückt die Gottesmutter beim Besuch in Lettland, wo die Marienverehrung besonders verbreitet ist. Das zeigt schon das Vatikan-Logo zur Reise mit Marienbild und den Worten "Zeige dich als Mutter".

Nach dem Besuch der Hauptstadt Riga beschließt Franziskus seine eintägige Lettland-Visite mit einem großen Gottesdienst unter freiem Himmel beim Marienheiligtum Gottesmutter von Aglona (deutsch: Aglohn). Das dortige Heiligenbild ist im Logo der Papstreise zu sehen. In das "lettische Lourdes" kommen zu Mariä Himmelfahrt jährlich rund 100.000 Pilger; beim Papstbesuch 1993 soll es eine halbe Million gewesen sein.

Wird Franziskus auf die verbreitete Korruption eingehen?

Dritter Schwerpunkt ist die Ökumene. Sie tritt beim Papstbesuch in Lettland und Estland in den Vordergrund. So steht in der katholischen Jakobs-Kathedrale in Riga eine ökumenische Begegnung auf dem Programm. An seinem letzten Besuchstag trifft sich der Papst mit Jugendlichen zu einer ökumenischen Begegnung in der lutherischen Karlskirche von Tallinn.

Offen bleibt, ob Franziskus auf die im Baltikum weit verbreitete Korruption eingeht oder auf die starke Abwanderung ins Ausland. Andere erhoffen sich klare Worte Richtung Russland. Die Beziehungen dorthin sind seit Beginn der Ukraine-Krise 2014 besonders angespannt. Die Erinnerungen an die Zeiten der sowjetischen Expansion sind noch lebendig.

Von Stefanie Stahlhofen


Quelle:
KNA
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