Papst zu Geistlichen: Gott beruft auch in der Krise

Franziskus wirft Priestern Missbrauch vor

Im Mittelpunkt des dritten Besuchstages des Katholikenoberhaupts in Kolumbien stand die innerkirchliche Erneuerung. Das gelte auch für Priester, machte der Papst deutlich und löste mit seiner Predigt eine Kontroverse aus. 

Papst Franziskus bei einer Messe in Medellin, Kolumbien / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus bei einer Messe in Medellin, Kolumbien / © Andrew Medichini ( dpa )

Unerschütterlich und frei in Christus - so umschreibt Papst Franziskus den Spagat, den er den Katholiken Kolumbiens abverlangt. In Medellin, der kirchlichen Hochburg des ohnehin schon sehr katholischen Landes, spricht er einen sensiblen Punkt an: Gelingt die Standhaftigkeit im Glauben durch konsequentes Festhalten an einmal erkannten Wahrheiten oder in einer Ausnahmenregelung dieser Wahrheiten?

Das Dilemma entgeht den Analysten der Papstreise nicht. Sie greifen im kolumbianischen Fernsehen diesen Punkt umgehend auf, mit der gebührenden Zustimmung, doch auch mit Fragen, die die Kontroverse andeuten: Wie mit Menschen in sogenannten schwierigen Lebenssituationen umgehen, etwa homosexuellen Paaren? Auch im katholischen Kolumbien gibt es seit gut einem Jahr die Ehe für alle.

Jugend in der Krise

Zu solchen konkreten Moralfragen hat sich Franziskus nicht geäußert, dafür aber zu seinem Anforderungsprofil an Geistliche. Er wünscht sich Jünger Jesu "ohne ererbte Kurzsichtigkeit"; Priester, "die die Realität mit den Augen und dem Herzen Jesu prüfen und sie von dort her beurteilen. Solche, die etwas wagen, die handeln und sich einsetzen".

Doch in Medellin, der "Stadt des ewigen Frühlings" steht die Kirche nicht wirklich vor der Blüte, im Gegenteil: Franziskus verzeichnet eine "Krise" des Engagements von katholischen Jugendlichen. Junge Menschen, die sich für ein Ordensleben oder den Priesterberuf interessieren, stammen längst nicht mehr aus gediegen-katholischen Milieus. Auch in Medellin wachsen Berufungen in einem "Klima voller Widersprüche, Hell und Dunkel, komplexen Beziehungen".

Der Papst provoziert mit Scherzen und Mahnungen

Diese Analyse liefert Franziskus vor Priesteramtskandidaten und ihren Familien, Ordensleuten und Priestern; natürlich fehlt auch nicht hoher Klerus. Der Ort, die ehemalige Stierkampfarena "La Macarena", scheint nahezulegen, dass das Treffen für Konfrontation offen ist; tatsächlich reizt der Papst seine Hörer mit Abschweifungen und Scherzen immer wieder zu Lachen und Beifall.

Franziskus lenkt den Blick der Priesterseminare und Ordensnoviziate auf die Peripherien: Es gelte anzuerkennen, dass Berufungen sich auch "auf dem Weg des Leidens und des Blutes" finden. Vielleicht ist das ein Wink an die Verantwortlichen der Berufungspastoral, sich schwierigen Milieus stärker zu öffnen, auch ehemaligen Angehörigen der Gewalt- und Drogenszene oder deren Opfern.

Gott beruft auch in der Krise

Echte Berufungen entstünden dort, "wo es Leben, Eifer und den Willen gibt, Christus zu den anderen zu bringen". Keinesfalls brauche es dafür eine heile Welt mit nur harmonischen Familien.

"Wir sind Teil dieser kulturellen Krise", sagte Franziskus mit Blick auf die Lage in Kolumbien. Inmitten dieser Krise berufe Gott weiter.

Der Teufel steckt im Portmonee

Harte Worte richtete das Kirchenoberhaupt gegen Priester, die im Klerikerdienst eine Chance zum sozialen Aufstieg und zu persönlicher Bereicherung sähen, gegen jene, die dem Satan nachgäben, der "durch die Brieftasche" komme. Solche Zweige am Rebstock Christi hätten selbst entschieden, zu verdorren: "Gott befiehlt uns, sie herauszuschneiden." Der eigentliche Skandal ist für Franziskus, wenn Geistliche die Gutwilligkeit der Menschen ausnutzen. Lüge, Verheimlichung, Manipulation und "Missbrauch des Gottesvolkes" dürften unter Geistlichen keinen Platz haben, so Franziskus.

Der Papst mahnt Geistliche und Ordensleute zu einer lebensnahen Frömmigkeit, getragen von einer "betenden Lektüre" der Bibel im Hören auf das, "was Gott für uns und unser Volk will". Schon das Theologiestudium soll nach seinem Wunsch den Blick auf die Alltagswirklichkeit behalten, ohne Nostalgien zu pflegen, ohne "auf Fragen antworten zu wollen, die keiner stellt".


Quelle:
KNA , DR