Adveniat-Geschäftsführer begleitet Papstreise nach Kolumbien

"Danke für die prophetische Stimme"

An diesem Mittwoch reist Papst Franziskus nach Kolumbien. Auf Einladung der dortigen Bischofskonferenz ist auch Adveniat-Geschäftsführer Pater Michael Heinz mit dabei. Bei domradio.de spricht er über seine persönlichen Erwartungen an den Besuch.

Pater Michael Heinz / © Henning Schoon (dpa)
Pater Michael Heinz / © Henning Schoon ( dpa )

domradio.de: Das Motto der Papstreise nach Kolumbien lautet: "Demos el primer paso - Lasst uns den ersten Schritt machen". Was ist damit gemeint?

Pater Michael Heinz (Adveniat-Geschäftsführer): Das offizielle Plakat zum Papstbesuch zeigt Franziskus, wie er einen Schritt nach vorne geht. Damit will er den Menschen in Kolumbien zeigen, dass sie aufeinander zugehen sollen. Er will vermitteln, dass es wichtig ist, nach über 50 Jahren Krieg und Gewalt jetzt den ersten Schritt aufeinander zuzumachen und in dem Prozess, der jetzt erst beginnt, den Frieden wirklich zu leben, aufeinander zuzugehen, auch auf die Menschen, die vorher Feinde waren und jetzt Freunde werden sollen.

domradio.de: Sie reisen selbst  nach Kolumbien. Was erwarten Sie sich von der Papstreise?

Heinz: Ich erhoffe mir, dass das Engagement der Kirche in der Friedens- und Versöhnungsarbeit gestärkt wird. Dass auf allen Ebenen ein Bewusstsein herrscht, damit auch alle Gesellschaftsschichten mit in diesen Friedens- und Versöhnungsprozess eingebunden werden.

Der Papst besucht unter anderem Cartagena im Westen des Landes, eine Touristenstadt, wo der Gegensatz zwischen arm und reich offensichtlicher nicht sein könnte. Er wird dort ein Projekt besuchen, das auch von Adveniat unterstützt wird: Das Projekt heißt "Talitha Kum" und kümmert sich um Mädchen und junge Frauen aus Armenvierteln, die aus Situationen von Prostitution, Gewalt, Missbrauch, Alkohol und Drogen kommen und in der großen Stadt drohen unterzugehen. Dieses Projekt gibt ihnen ein neues Zuhause.

Und ich erhoffe mir natürlich, dass, wenn der Papst so ein Projekt besucht, dieses auch Außenwirkung hat und Kirche, Politik und Zivilgesellschaft künftig diese Randgruppen mehr in den Fokus nehmen und sich für diese Menschen einsetzen.

domradio.de: Im Mittelpunkt seiner Reise soll die Versöhnung stehen. Ein großes Wort, das vor allem den Opfern und ihren Angehörigen ungeheuer viel abverlangt. Wie kann das denn gelingen?

Heinz: Da muss natürlich viel Arbeit geleistet werden, vor allem was den Dialog angeht. Wir müssen die Menschen zusammenzubringen. Adveniat unterstützt beispielsweise ein Projekt, das unser Partner Padre Rafael Martín Castillo Torres in Cartagena durchführt: Dabei geht es um Trauma-Bearbeitung und Vergangenheitsbewältigung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach der Flucht vor Gewalt und Krieg in den Armenvierteln von Cartagena gestrandet sind.

Ein Psychologe arbeitet mit ihnen über künstlerische Ansätze, beispielsweise Musik und Malen, die zur Vergangenheitsbewältigung beitragen sollen. Und solche Aktionen sind auch Gewaltprävention, denn diese Menschen haben sich mittlerweile als Gruppe organisiert, gehen in die Schulen und sprechen mit den Kindern und Jugendlichen darüber, wie man Konflikte gewaltfrei löst, über Verzeihung und Versöhnung.

domradio.de: Adveniat unterstützt auch die Arbeit der Versöhnungskommission in Kolumbien. Wie genau leistet die einen Beitrag zu Frieden und Versöhnung?

Heinz: Die nationale Versöhnungskommission wurde 1995 von den kolumbianischen Bischöfen gegründet und sie bringt die Gruppen zusammen, die sich im Krieg als Feinde gegenüber standen. Sie ermöglicht den Dialog und sie setzt sich bei der Regierung für die Opfer ein und dafür, dass die Regierung ihre gegebenen Versprechen auch hält. Sie schult die Priester, die als Vermittler in die Regionen gehen, wo die bewaffneten Gruppen jetzt ihre Waffen abgeben und sie begleitet die Opfer.

Die Versöhnungskommission hat beispielsweise auch ermöglicht, dass sich Opfer und ehemalige FARC-Kämpfer während der Friedensverhandlungen in Havanna auf Kuba begegneten und die Überlebenden als Zeugen ihre Erfahrungen gegenüber den Verhandlungspartnern ausgesagt haben. Und ich glaube, das war ein wichtiger Punkt, der ermöglicht hat, dass der Friedensvertrag überhaupt unterzeichnet werden konnte. Und dass Menschen, die verfeindet waren, plötzlich sehen konnten, dass es nicht nur Opfer und Täter gibt, sondern dass auch Täter oftmals selbst Opfer sind.

domradio.de: Werden Sie Gelegenheit haben, den Papst persönlich zu treffen?

Heinz: Ich hoffe, dass ich in Cartagena dazu Gelegenheit haben werde, denn der Papst wird direkt nach seiner Ankunft in die Pfarrei San Francisco fahren und unsere Projektpartner von "Talitha Kum" besuchen. Ich werde dabei sein und ich denke, dass es möglich sein wird, mit ihm zu sprechen oder ihn wenigstens kurz zu begrüßen. Das wäre mir eine große Freude, denn er ist ein Mensch, der die Option für die Armen lebt und unterstützt. Wir von Adveniat arbeiten ja in diesem Bereich seit Jahrzehnten und wollen das auch weiterhin tun

domradio.de: Was würden Sie ihm gerne sagen, wenn Sie die Gelegenheit haben?

Heinz: Ich würde ihm für die prophetische Stimme danken, die er weltweit für uns Katholiken erhebt. Und ich würde ihn bitten - falls die Zeit dazu ist, das weiß man ja nicht, denn er reist ja vor allem nach Kolumbien, um die Kolumbianerinnen und Kolumbianer zu treffen -, uns zu sagen, was er von uns als katholischem Hilfswerk erwartet und wie wir weiterhin gute Arbeit leisten können. Ich würde mir konkrete Impulse von ihm erwarten, was die praktische Arbeit in Lateinamerika angeht.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Quelle:
DR