Tagung beleuchtet Massenmobilisierung durch den Pontifex

Die Softpower der Päpste

Ein Papst hat keine Armee und keine wirtschaftlichen Druckmittel. Machtlos ist er deshalb aber noch lange nicht: Im Medienzeitalter kann er wie kaum ein zweiter die Massen mobilisieren.

Autor/in:
Benjamin Leven
Papst Franziskus / © Osservatore Romano / Handout (dpa)
Papst Franziskus / © Osservatore Romano / Handout ( dpa )

"Wie viele Divisionen hat der Papst?" soll Stalin bei der Konferenz in Jalta 1945 gefragt haben, als Winston Churchill vorschlug, das Kirchenoberhaupt als Verbündeten gegen Hitler zu gewinnen. Stalins Bonmot ist der Inbegriff dessen, was Politikwissenschaftler "Hard Power" nennen: Wie viele Panzer hat ein Staat, wie hoch ist sein Bruttosozialprodukt? Nach diesen Maßstäben ist der Papst so gut wie machtlos. Trotzdem widmete sich nun eine Tagung im Vatikan der "Macht der modernen Päpste". Sie wurde vom Centrum für Religion und Moderne der Universität Münster (CRM) gemeinsam mit dem Römischen Institut der Görres-Gesellschaft (RIGG) organisiert.

Vermittler zwischen Nationen

Das Gegenteil von "Hard Power" ist "Soft Power". Und davon besitze der Papst reichlich, erläuterte Timothy Byrnes, der an der Colgate-University in Hamilton (USA) Politikwissenschaft lehrt. Den Einfluss, den der Papst in den internationalen Beziehungen hat, übe er auf ganz unterschiedlichen Ebenen aus. Als Oberhaupt der katholischen Kirche leite er eine komplexe internationale Organisation. Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen mit 180 Ländern. Dies ermögliche ihm beispielsweise, als Vermittler zwischen Nationen aufzutreten.

Byrnes verwies auf die Rolle der päpstlichen Diplomatie bei der Annäherung der Vereinigten Staaten und Kubas, die schließlich in der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern gipfelte. Neben den Diplomaten des Papstes hätten auch die Kontakte zwischen US-amerikanischen und kubanischen Bischöfe eine wichtige Rolle im Annäherungsprozess gespielt. Denn der Papst könne neben seinen Gesandten auch auf die lokale Hierarchie zurückgreifen, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Doch wie hat das Papsttum sich diesen großen politischen Einfluss erarbeitet?

Der Münsteraner Historiker Olaf Blaschke erinnerte daran, dass Papst Pius VI. (1775-1799) in französischer Gefangenschaft starb, nachdem Napoleon den Kirchenstaat erobert hatte. Zeitgenossen glaubten damals, die Institution des Papstamtes habe aufgehört zu existieren. Auch sein Nachfolger, Pius VII. (1800-1823), wurde gekidnappt und nach Frankreich verschleppt. Doch nach dem Fall Napoleons 1814 konnte Pius VII. im Triumph nach Rom zurückkehren.

Massenmobilisierung durch die Päpste

Der politische Aufstieg des Papsttums im Laufe des 19. Jahrhunderts, so Blaschkes These, sei gerade dem starken Antiklerikalismus in dieser Zeit zu verdanken: Auf die Kirchenfeindlichkeit reagierten die Katholiken, indem sie die Reihen schlossen. Der "Ultramontanismus", die starke Orientierung des Katholizismus an Rom, war geboren. In der Folge, so zeigten zahlreiche Fallstudien, schaukelten die Medienpräsenz und die Massenmobilisierung durch die Päpste sich geradezu gegenseitig hoch.

Eine Schlüsselrolle spielte dabei Papst Pius IX., der von 1846 bis 1878 die Geschicke der Kirche lenkte. Über die neuen Massenmedien fühlten sich die Katholiken in aller Welt mit ihrem Oberhaupt verbunden. Fotografien des Papstes verbreiteten sich. Die modernen Verkehrsmittel ermöglichten es ihnen gleichzeitig, in Scharen nach Rom zu pilgern. Pius IX. gründete 1861 eine eigene Tageszeitung, den "Osservatore Romano". Und - so berichtete der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger - er ließ im wiedererrichteten Kirchenstaat ein Eisenbahnnetz anlegen und sorgte damit für einen weiteren Zustrom von Rom-Wallfahrern. Seitdem gehören die Medien zu den wichtigsten politischen Instrumenten der Päpste.

Päpstliche Reisetätigkeit

Auch der endgültige Fall des Kirchenstaates 1870 konnte dem nichts anhaben. Im 20. Jahrhundert kam die päpstliche Reisetätigkeit hinzu.

Der Potsdamer Historiker Frank Bösch zeigte am Beispiel der ersten Polenreise Johannes Pauls II. im Jahr 1979, wie sich die Wirkung von Medienberichterstattung und Großveranstaltungen gegenseitig verstärkten. Nach der Papstreise ergaben geheime Meinungsumfragen des polnischen Regimes, dass der Anteil der Polen, die sich selbst als religiös bezeichneten, gestiegen war. Als der polnische Oppositionelle Lech Walesa dann ein Jahr später das Danziger Abkommen mit der Regierung unterzeichnete, das erstmals freie Gewerkschaften in Polen zuließ, nutzte er dafür einen überdimensionierten Kugelschreiber, der das Konterfei Johannes Pauls II. trug.


Quelle:
KNA