Armenier in Deutschland über die Papstreise

Problem mit dem Begriff Versöhnung

Die Armenien-Reise des Papstes stand auch im Zeichen der Versöhnung zwischen Armeniern und Türken. Der Zentralrat der Armenier in Deutschland wertet die Reise positiv, hält aber eine Versöhnung weiterhin für schwierig.

Eintrag ins Gästebuch des Genozid-Denkmals in Eriwan / © Zurab Kurtsikidze (dpa)
Eintrag ins Gästebuch des Genozid-Denkmals in Eriwan / © Zurab Kurtsikidze ( dpa )

domradio.de: Hat der Papst in Armenien die Worte gewählt, die sie sich erhofft hatten?

Jaklin Chatschadorian (Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland e.V.): Ja, das hat er ja bereits 2015 gemacht und ich bin froh, dass er an dieser Linie festgehalten hat und sich nicht hat von äußeren Einflüssen beeindrucken lassen.

domradio.de: Der Papst hat am Samstag die Nationale Gedenkstätte Zizernakaberd besucht. Warum war das so wichtig?

Chatschadorian: Es ist natürlich eine besondere Ehre, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche mit uns gemeinsam unserer Toten gedenkt.

domradio.de: Stichwort: Völkermord - Offiziell stand in seinem Redetext "großes Übel", aber Franziskus hat ganz offen von Genozid gesprochen. Würden Sie sagen, dass das vielleicht sogar noch wichtiger war, als der Besuch der Gedenkstätte?

Chatschadorian: Das gehört zusammen. Man kann nicht gedenken und versuchen, dieses Wort diplomatisch zu vermeiden, das wäre eine Verhöhnung der Opfer.

domradio.de: Mit einem symbolischen Appell zur Versöhnung zwischen Armeniern und Türken hat Papst Franziskus gestern dann seine Armenien-Reise beendet. Im Kloster Khor Virap ließ er mit dem Katholikos Karekin II. zwei weiße Friedenstauben aufsteigen.

Chatschadorian: Ich habe grundsätzlich ein Problem mit dem Begriff Versöhnung, wenn die Gegenseite den Genozid weiterhin leugnet. Dann kann keine Versöhnung funktionieren. In dem Moment, in dem ich von Versöhnung spreche, spreche ich die Staaten Türkei und Armenien an. Das Thema ist aber eine Sache der Nachkommen der Opfer, die bis heute noch in der Türkei leben. Die würde ich ausblenden, und das sind gerade die Gruppen, die bis heute unter Verfolgung und Unterdrückung leiden.

domradio.de: Aus der Türkei kam mittlerweile deutliche Kritik an der Armenienreise des Papstes. Vize-Ministerpräsident Nurettin Canikli hat Franziskus eine "Kreuzzugmentalität" vorgeworfen.

Chatschadorian: Das hat nichts mit Kreuzzug zu tun, wenn man die Wahrheit spricht. Die Gegenseite kann einfach mit der Faktizität des Völkermordes nicht umgehen. Ich würde der Aufregung auf türkischer Seite nicht zu viel Wert beimessen wollen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


 

Quelle:
DR