Ein Kommentar zur Karlspreisverleihung an den Papst

Unfruchtbare Großmutter

Papst Franziskus bekommt an diesem Wochenende den Karlspreis verliehen – für seine Verdienste um Europa. Ein Kommentar zur Karlspreisverleihung von domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

"Von mehreren Seiten aus gewinnt man den Gesamteindruck der Müdigkeit und der Alterung, die Impression eines Europas, das Großmutter und nicht mehr fruchtbar und lebendig ist." Europa, eine alte, unfruchtbare Großmutter, kaum noch lebendig? Wer redet da Klartext? In der griechischen Mythologie ist Europa bekanntlich eine jugendfrische Königstocher, die so attraktiv ist, dass Zeus selber sie entführen lässt und ihr drei Kinder schenkt…

Das oben genannte Zitat stammt von Papst Franziskus. Es war Teil seiner Rede, die er im November 2014 vor dem Europäischen Parlament gehalten hat. Damals ging dieses Bild von Europa als Großmutter ein wenig unter, denn das ebenfalls dort aufgegriffene Bild vom Mittelmeer, dem Friedhof Europas, war stärker.

Einheit, Frieden und Gerechtigkeit

Beide vom Papst benannten Missstände gelten bis heute. Immer noch bezahlen viele Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, ihre Flucht mit dem Leben. Und immer noch scheint Europa wie gelähmt. Das Unternehmen Europa wirkt mut- und kraftlos. Es droht in Egoismus und Bürokratie zu versinken. Dabei hat der Papst "vom anderen Ende der Welt" in seiner Rede die Europäer an ihr wunderbares Geschenk, in Einheit, Frieden und Gerechtigkeit leben zu können, erinnert. Wie jüngst US-Präsident Obama, ermutigte der Papst schon damals die Menschen in Europa, mutig voran zu schreiten. Der Kompass des europäischen Weges könne dabei nur Gott und die Würde eines jeden einzelnen Menschen sein. Es lohnt sich auch heute, diese Rede auf domradio.de noch einmal nachzulesen.

Europa zu stärken und zu ermutigen

Der gebürtige Argentinier Papst Franziskus bekommt an diesem Wochenende den renommierten Karlspreis verliehen – für seine Verdienste um Europa. Normalerweise nimmt der Papst keine Preise an, aber hier macht er eine Ausnahme, um medial noch einmal ein Zeichen zu setzen und Europa zu stärken und zu ermutigen. Schon seltsam, dass der alte Papst mehr europäische Frische und Aufbruch ausstrahlt, als zum Beispiel ein nicht einmal 30 Jahre alter österreichischer Außenminister, der in seinem Land mitten in Europa die Grenzen hochzieht und den Brenner dicht machen will. An diesem Papst können wir alle uns ein Beispiel nehmen – er hat den Preis mehr als verdient!

Ihr

Ingo Brüggenjürgen

domradio.de-Chefredakteur


Quelle:
DR