Ein Vatikan-Tagebuch – Woche vier

Auch ein Papst ist nur ein Mensch

Er fährt einen alten Fiat und wohnt im Gästehaus Santa Marta. Bescheidenheit ist eine der herausragenden Eigenschaften von Papst Franziskus. Aber nicht nur seine, das stellt domradio.de-Reporter Renardo Schlegelmilch in seinem Vatikan-Tagebuch fest.

Renardo Schlegelmilch im Vatikan (DR)
Renardo Schlegelmilch im Vatikan / ( DR )

Der Vatikan ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Ort der Superlative. Kleinster Staat der Welt. Größtes Kirchgebäude der Welt. Sitz des Oberhauptes von über einer Milliarde Katholiken. - Steigt das alles nicht manchmal zu Kopf? Im Vatikan wird natürlich auch nur mit Wasser gekocht. Dafür fehlt es an warmen Wasser im Campo Santo Teutonico, meinem Wohnsitz für diesen Monat.

Woche voller Begegnungen

Diese Woche war für mich geprägt von Begegnungen. Vom einfachen Ordensbruder zum Kardinal. Allen gemein ist eine erstaunliche Bescheidenheit, die ich in dieser Form nicht erwartet hätte.

Nehmen wir ein Gespräch am Frühstückstisch im 'Campo' diese Woche. Ich frage einen der Brüder: "Bist du nicht vollkommen überwältigt davon, hier im Vatikan zu leben? Beim Frühstück jeden Tag auf den Petersdom zu blicken? Von der Schweizer Garde beschützt zu werden?" Seine Antwort: "Beeindruckt ja. Aber du musst dir hier immer eines bewusst sein: Du lebst an einem besonderen Ort. Das heißt aber nicht, dass du ein besonderer Mensch bist."

Selbst bei den Kurienkardinälen sieht es nicht anders aus. Kurt Kardinal Koch aus der Schweiz ist der "Ökumene-Minister" des Papstes. Am Dienstagabend fange ich ihn nach einer Veranstaltung ab, um ihn kurz zu interviewen. Um uns herum stehen noch mehrere Leute, die auf Fotos und Autogramme warten. "Herr Schlegelmilch, möchten Sie nicht lieber morgen zu mir ins Büro kommen? Dann müssen Sie jetzt nicht so lange warten." Ich: "Wenn Sie sich dafür die Zeit nehmen gerne. Wann denn?" - "Wann immer es Ihnen passt."

Auf ein Weinchen mit…

Am Abend sitze ich mit anderen Journalisten bei einem Gespräch mit dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper. Selbst Papst Franziskus bezeichnet ihn als "großen Theologen."

Seinen Weißwein trinkt der "große Theologe" wie wir alle an diesem Abend: aus einem kleinen Plastikbecher. Wir reden über Ökumene oder über die Rolle der Frau in der Kirche. "Da wird sich noch viel tun," sagt Kardinal Kasper. "Aber was denken Sie denn?"

Es zeigt sich also: Auch wenn draußen vor den Toren unzählige Touristen stehen. Auch wenn am anderen Ende des Gebäudes Kunstwerke von unschätzbarem Wert hängen. Auch wenn der Papst im Nachbarhaus wohnt: Die Menschen die zum Dienst im Vatikan berufen wurden, sind hierher gekommen um zu dienen. Und das vergisst man nicht so leicht.


Papst Franziskus / © Cristian Gennari (KNA)
Papst Franziskus / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
DR