Ein Vatikan-Tagebuch – Woche zwei

Franziskus als Nachbar

Die Welt blickte am Samstag auf die Lesbos-Reise des Papstes. Inzwischen ist er wieder zurück im Vatikan und hat zwölf syrische Flüchtlinge mitgebracht. Auch vor Ort: domradio.de-Reporter Renardo Schlegelmilch. Für uns schreibt er Tagebuch.

Bernie Sanders in Rom / © Angelo Carconi (dpa)
Bernie Sanders in Rom / © Angelo Carconi ( dpa )

Während Franziskus auf Lesbos Flüchtlinge besucht, spielen sich im Vatikan ganz andere Szenen ab. US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders war Freitag und Samstag für eine Konferenz hier. Sein großer Wunsch war, natürlich, den Papst zu treffen. Franziskus musste aufgrund der Lesbos-Reise kurzfristig absagen, vielleicht aber auch um ein politisches Signal im US-Wahlkampf zu vermeiden? Sanders hat dann aber doch seinen Willen bekommen und am Samstagmorgen um 6 Uhr für ganze fünf Minuten den Papst getroffen, kurz bevor sich Franziskus nach Griechenland aufmachte. Der Politiker war im darauf folgenden ABC-Interview vollkommen beseelt, sprach davon, dass Franziskus ein "wunderschöner" Mensch mit einer "großen Aura" sei. - Was sagt Franziskus zum Treffen? "Herr Sanders war da, und ich habe ihm die Hand geschüttelt. Das ist nur höflich, nichts Politisches. Wer etwas anderes behauptet, sollte zum Psychiater!"

Aber: Sanders ist wenigstens reingekommen, in den Vatikan. Anders ging es diese Woche einem LKW-Fahrer aus Rom. Der LKW mit einer Lebensmittel-Lieferung wollte am Mittwoch an den Schweizer Gardisten vorbei, die ihn prompt aufhielten: Der LKW hatte auf der Fahrerkabine zwei spärlich bekleidete junge Damen als Graffiti-Kunst aufgesprüht. Die Antwort der Gardisten: Im Vatikan haben sich Männer und Frauen ordentlich zu kleiden. Und das gilt anscheinend auch für LKWs.  Die Lösung: Die Damen wurden mit einigen Tüchern 'verhüllt', und so durfte der Lieferwagen dann in den Vatikan.

Auf der Suche nach Benedikt XVI.

Ebenfalls diese Woche hat Franziskus' Vorgänger, der emeritierte Papst Benedikt XVI. seinen 89. Geburtstag im kleinen Kreis gefeiert. Von den Feierlichkeiten selbst ist wenig bekannt. Einen Tag zuvor hat Benedikt mir persönlich einen kleinen Schrecken eingejagt. Im Vatikan verbreitete sich das Gerücht papa emeritus habe im Deutschen Haus, wo ich wohne, die Frühmesse mitgefeiert. Kann das sein? Habe ich Benedikt XVI. verpasst? Warum hat beim Frühstück niemand davon gesprochen, dass der Papst em. gerade im Haus war? Ein bisschen Recherche hat dann ergeben, dass das Gerücht von einem Facebook-Video kommt, dass Benedikt in der Messe zeigt. Das Video wurde allerdings nicht in dieser Woche, sondern im August 2015 aufgezeichnet. Meine Lehre: Demnächst öfters in die Frühmesse gehen. Nur so zur Sicherheit.

Und noch eine Lehre: Demnächst sollte ich früher nach Hause gehen. Täglich ab 20 Uhr ist der Grenzübergang von Rom zum Vatikan geschlossen. Danach wird es etwas kompliziert, nach Hause und ins Bett zu kommen. Und: ab 23 Uhr wird von den Schweizer Gardisten sogar der Name des Nachzüglers im Protokoll im Petersdom eingetragen. Seit Samstagabend stehe ich da auch drin. Wenn also meine Nachfahren in hundert Jahren wissen wollen, wer ich war: Einfach mal im vatikanischen Geheimarchiv nachforschen!


domradio.de-Reporter Renardo Schlegelmilch im Vatikan / © Renardo Schlegelmilch (DR)
domradio.de-Reporter Renardo Schlegelmilch im Vatikan / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Pilger auf dem Petersplatz / © Schlegelmilch (DR)
Pilger auf dem Petersplatz / © Schlegelmilch ( DR )

Im Vatikan kommt die Müllabfuhr auch sonntags / © Schlegelmilch (DR)
Im Vatikan kommt die Müllabfuhr auch sonntags / © Schlegelmilch ( DR )

Blick vom Papst-Hügel / © Schlegelmilch (DR)
Blick vom Papst-Hügel / © Schlegelmilch ( DR )
Quelle:
DR