Der Leiter der Familienpastoral im Erzbistum Köln zum Papstschreiben Amoris laetitia

"Pastorale Wende"

Nach der Veröffentlichung der Botschaft von Papst Franziskus zu Ehe und Familie sieht der Leiter der Familienpastoral im Erzbistum Köln, Dr. Holger Dörnemann, eine pastorale Wende für die Seelsorge auch im Erzbistum Köln.

Dr. Holger Dörnemann (DR)
Dr. Holger Dörnemann / ( DR )

domradio.de: Erfüllt das päpstliche Schreiben Ihre Erwartungen?

Dr. Holger Dörnemann (Leiter der Familienpastoral im Erzbistum Köln): Für mich persönlich hat es die Erwartungen sogar übertroffen, weil ich mich im Vorfeld sehr stark mit dem Freundschaftsgedanken im Blick auf die Ehe beschäftigt hatte. Wenn die Ehe eine besondere Art von Freundschaft ist, dann kann man andere Formen der Freundschaft eben auch in einer wertschätzenden Perspektive wahrnehmen. Dieser Gedanke taucht nun auch in dem Schreiben auf. Das hätte ich so nicht erwartet. Denn davon war bislang in den beiden Familiensynoden 2014 und 2015 nicht die Rede gewesen. Auch im Hinblick auf die vielen strittigen Themen kann man sagen, dass sich etwas bewegt hat.

domradio.de: Für wiederverheiratete Geschiedene soll es nun einen gewissen Spielraum geben. Wie sehen Sie das?

Dörnemann: Genau das ist die Entscheidung, die Franziskus getroffen hat, dass jetzt ein gewisser Spielraum gesehen werden kann. Bislang galt laut des nachsynodalen Apostolischen Schreibens "Familiaris consortio" von 1981, dass es eben keinen gewissen Spielraum gäbe. Diesen gewissen Spielraum hat Papst Franziskus jetzt eröffnet für das persönliche, vertrauliche Einzelgespräch zwischen Seelsorger und Gläubigem.

domradio.de: Wie sieht es aus bei den Themen Homosexualität und Empfängnisverhütung?

Dörnemann: Beim Thema der Empfängnisregelung hat Franziskus auch etwas neu betont, was durch das Zweite Vatikanische Konzil eigentlich schon bekannt war: Nämlich das Thema des Gewissens im Hinblick auf die Empfängnisverhütung, den Umgang mit der eigenen Fruchtbarkeit, das Austarieren von Liebe und Sexualität und Fruchtbarkeit. Er verweist darauf, dass das Gewissen da auch einen Pol bedeutet neben der Orientierung an den Werten. Das ist auch ein neues Ausrufezeichen, das auch gehört werden wird.

Das Thema der Homosexualität war bei der Synode 2014 hoch umstritten und wurde bei der letzten Synode 2015 beinahe ausgeklammert, weil die Synodenväter gesehen haben, was in Afrika strafrechtlich verfolgt wird, wie es hier ja auch vor einigen Jahrzehnten noch war. Bei dem Thema sind die Auffassungen und kulturellen Unterschiede zwischen Europa und Afrika so verschieden, dass dieses Thema de facto ausgegliedert wurde. Aber man muss auch sehen, dass sich in dem Schreiben keine verurteilenden Sätze finden. Das gab es ja auch schon.

domradio.de: Welche Folgen hat das Schreiben konkret für die Seelsorge im Erzbistum Köln?

Dörnemann: Es wird künftig mehr der Umgang des Seelsorgers mit dem Einzelnen in den Fokus rücken. Man wird nicht mehr - abgeleitet von moralischen Normen - Einzelfällen ausweichen können. Man wird in den Einzelfall hineingehen in einer Kultur der Begegnung und dann den Weg finden, der im Einzelfall möglich ist oder auch schon gegangen wird. Das ist die pastorale Wende, der Aufbruch von Papst Franziskus.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Hinweis: Dr. Holger Dörnemann ist Leiter der Familienpastoral im Erzbistum Köln und Berater der Kommission XI. "Ehe und Familie" der Deutschen Bischofskonferenz. Er schreibt ein Blog zur den Familienbischofssynoden 2014 und 2015 und zur Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' von Papst Franziskus am 8. April 2016.


Quelle:
DR