Moraltheologe warnt vor zu großen Erwartungen an Papstbotschaft

"Zeit ist noch nicht reif"

Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz warnt vor zu großen Erwartungen an die Papstbotschaft zu Ehe und Familie. In den Bereichen Homosexualität oder Empfängnisverhütung würde sich wahrscheinlich nicht viel verändern.

Papst Franziskus spricht zu Bischöfen auf Familiensynode / © Ettore Ferrari (dpa)
Papst Franziskus spricht zu Bischöfen auf Familiensynode / © Ettore Ferrari ( dpa )

Er glaube nicht, dass es zu einer ausdrücklichen Weiterentwicklung oder gar expliziten Revision im Bereich konkreter Gebote der Morallehre etwa zu Empfängnisverhütung oder Homosexualität komme, sagte Goertz am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Mainz. "Das stünde zwar moraltheologisch meines Erachtens nach an. Aber offenbar ist die Zeit dafür noch nicht reif."

Stattdessen erhoffe er sich "eine Stärkung der Urteilskompetenz der Gläubigen in den Fragen der Gestaltung ihrer Partnerschaften", so Goertz weiter. "Und ich vermute, der Papst will eine Verlagerung der Gewichte der kirchlichen Lehre; weg von einer rigorosen Gebotsmoral hin zu einer ermutigenden Verantwortungsmoral."

Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen

Mit Blick auf den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen sagte der Theologe: "Vielleicht eröffnet der Papst die Möglichkeit, dass Wiederverheiratete - nach einem Prozess der Aussöhnung mit der Kirche - nicht länger als im Stande einer irregulären Situation lebend bezeichnet werden." Dann, so Goertz, "wäre die Sexualität der Wiederverheirateten nicht länger eine schwere Sünde."

Die allerwenigsten Gläubigen richteten sich in den intimen Fragen von Sexualität nach päpstlichen Verlautbarungen, betonte Goertz. Aber viele wollten sich als Teil einer Glaubensgemeinschaft verstehen können, die ihre Würde als freie Menschen respektiere und die ihnen auf ihrem Lebensweg "begleitend - und nicht bevormundend - in guten wie in schlechten Zeiten" zur Seite stehe.

Hoffnung nicht aufgeben

"Es wäre bitter, wenn sich durch das Schreiben alle die bestätigt sähen, die die Hoffnung aufgeben haben, dass sich die katholische Kirche in ihrer Morallehre als lernfähig erweist", so der Mainzer Professor. "Aber warten wir ab. Vielleicht überrascht uns dieser Papst ja abermals - diesmal im Bereich der katholischen Morallehre."

Mit seiner Botschaft will Papst Franziskus die Ergebnisse der beiden Bischofssynoden über Ehe und Familie zusammenfassen. Dieses nachsynodale Schreiben soll am 8. April unter dem Titel "Amoris laetitia" ("Freude der Liebe") veröffentlicht werden und hat verbindlichen Charakter. Viele Beobachter sehen Franziskus' Fazit zu den Familiensynoden als Nagelprobe für seinen Anspruch auf Veränderungen in der Kirche.


Quelle:
KNA