Trubel um Papst-Aussage zur "arabischen Invasion"

"Es geht um Bereicherung!"

Der Papst spricht in einem Artikel von einer "arabischen Invasion" und die Medien stürzen sich auf diese zwei Worte, kritisiert Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan. Dabei müssten diese im Zusammenhang gesehen werden.

Papst Franziskus / ©  EPA/ETTORE FERRARI (dpa)
Papst Franziskus / © EPA/ETTORE FERRARI ( dpa )

"Arabische Invasion". Mehr braucht es nicht, um mal wieder einen Papst-Satz durch die Medien zu treiben. Mehr wird auch über die Unterredung vom vergangenen Samstag gar nicht berichtet, dabei ist der Artikel im Osservatore Romano und in der Zeitschrift La Vie – wo das Original erschienen ist – umgerechnet mehrere Seiten lang. Nur die eine Formulierung und alle wundern sich wieder.

Ceterum censeo – bitte entschuldigen Sie, wenn ich mich hier immer wiederhole – man muss den Papst in der Sprechsituation und im Zusammenhang hören oder lesen, seine Sätze funktionieren als Kommunikation mit den Menschen, die vor ihm stehen oder sitzen, nicht als allgemeingültige Aussagen für alle Menschen immer und überall, schon gar nicht wenn es nur einige Worte sind, die heraus genommen werden.

Dabei ist das Ganze vom Papst angeschnittene Thema sehr spannend. Wohin geht Europa? Immerhin hatte er mit einer französischen Gruppe gesprochen, da liegt das Thema nahe. Vor allem ist das auch deswegen interessant, weil sonst wenig zum Thema Europa zu hören ist, wie immer wieder gesagt wird. Also: Wie kann man auf die geistliche Krise Europas antworten? Wie kann man der Moderne begegnen, auch kritisch begegnen, ohne reaktionär zu werden? Wie gehören Spiritualität und Politik – im weiten Sinn des Wortes verstanden – zusammen? Darum ging es dem Papst.

Berufung Europas

Es war eine recht lange Ansprache, berichtet La Vie, so lang dass der Papst an einer Stelle aufstand um Wasser zu holen – nicht für sich selbst, sondern für die Übersetzerin. "Emmanuel Lévinas hat seine Philosophie auf die Begegnung mit dem Anderen gegründet, der Andere hat ein Gesicht. Man muss aus sich heraus gehen, um es zu betrachten." Es sind solche Sätze, die einen wünschen lassen, dabei gewesen zu sein. Da kommen Dinge zusammen, seine philosophischen Interessen, seine geistliche Haltung, sein pastorales Tun.

Europa sei der einzige Kontinent, welcher der Welt eine gewisse Einheit geben könne, so der Papst zum Thema Globalisierung. "China hat vielleicht die ältere Kultur, aber Europa hat eine Berufung zur Universalität und zum Dienst." Da soll noch mal jemand sagen, der Papst ‚vom Ende der Welt’ mache sich keine Gedanken zu Europa.

In Straßburg, bei den Institutionen Europas, hatte er schon Reden dazu gehalten, damals hatte er Europa mit einer müden alten Frau verglichen, nicht zur Begeisterung der Europa-Fans. Könne man das wieder rückgängig machen, so die Frage am vergangenen Samstag? "Ja, unter einigen Bedingungen." Wenn Europa sich verjüngen wolle, "dann muss es die eigenen kulturellen Wurzeln wieder entdecken." Ein Gedanke, der nicht neu ist, den wir bei Benedikt XVI. und bei Johannes Paul II. aus Papst-Mund auch schon gehört haben. Aber dann wieder echt Franziskus: "Unter allen Ländern des Westens hat Europa die stärksten und die tiefsten Wurzeln. Durch die Kolonisierung haben diese Wurzeln auch die Neue Welt erreicht. Aber weil es seine eigene Geschichte vergisst, wird Europa schwach. Und es riskiert, ein leerer Ort zu werden."

Das Zitat

Aber nehmen wir uns das Zitat vor, das im Augenblick Aufmerksamkeit findet. "Wir können heute von einer arabischen Invasion sprechen. Das ist eine soziale Tatsache," gibt La Vie wieder. Der Papst habe da aber sofort anfügt, dass die Theoretiker der extremen Rechten, die Angst vor der großen Vertreibung und Verdrängung schürten, enttäuscht werden. "Wie viele Invasionen hat Europa nicht schon in seiner Geschichte gesehen!", da ist wieder die Verbindung zum vorher gesagten, Europa müsse seine Geschichte kennen.

Europa habe in der Vergangenheit sich selber immer überwunden, sei immer über sich selbst hinaus gegangen und habe sich "bereichert wiedergefunden durch die Begegnung der Kulturen". Bereichert! Wer auch immer das eine Zitat aus dem Zusammenhang reißt und das vor seinen politischen Karren spannen will, der möge aufmerken: Es geht um Bereicherung! Nicht um Angst.

Vermint durch nationale Egoismen

Der Papst spricht dann weiter über die Großen, über Schumann und Adenauer, die die Vision dafür gehabt hätten, über die Krise in Europa, "vermint durch nationale Egoismen", über die kleinlichen Schachereien und wenig weitblickenden Spielchen. Starke Sprache des Papstes.

Aber nicht nur Europa muss sich verjüngen, das Gleiche gilt auch für das Christentum. Und der Weg dahin führt für ihn über die Barmherzigkeit. Sich selbst zu ‚dezentrieren’, auf den Anderen zugehen, den Dialog riskieren, so beschreibt er Barmherzigkeit. Für ihn sei die Barmherzigkeit etwas, was nun aus dem Süden käme und ein anderer Name für Humanismus sei.

Dialog

Und dann der Dialog. Sein Rezept für alles, auch wenn er dafür kritisiert wird, aus der Ukraine, aus Zeitungsredaktionen, wo immer auch her. Am Beginn des Krieges stehe die ideologische Degeneration der Religionen, so der Papst. Also Dialog, leider gibt es das als deutsches Verb nicht, "Dialog und noch mal Dialog", der Papst spricht aber in Verbform. Deswegen sei auch eine Begegnung mit einer der höchsten geistlichen Autoritäten des sunnitischen Islam in Vorbereitung, der Al Azhar Universität von Kairo.

"Etwas ist klar", schließt der Beobachter seinen Artikel. "Der informell sprechende Papst weiß genau, wohin er die Kirche führen möchte: heraus aus den Mauern, in das Risiko der Begegnung." Dem ist wenig hinzuzufügen, denn das gilt offenbar auch für seine Worte. Er spricht, er riskiert, aber wenn man mitmacht und nicht nur Einzelworte heraus bricht um seine Zeitungsseite zu füllen, dann kann man viel verstehen.

Der Kommentar von Pater Bernd Hagenkord ist auf dem Blog von Radio Vatikan erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht. 


Pater Bernd Hagenkord (rv)
Pater Bernd Hagenkord / ( rv )

Papst Franziskus bei der Generalaudienz am 02.03.2016 / © Ettore Ferrari (dpa)
Papst Franziskus bei der Generalaudienz am 02.03.2016 / © Ettore Ferrari ( dpa )
Quelle:
rv