Adveniat begrüßt päpstliche Standpauke in Mexiko

Der wohltuende Finger in der Wunde

Die wichtigste Botschaft der Mexikoreise von Papst Franziskus ist, dass er sich nicht den Mund verbieten lässt, sagt Reiner Wilhelm von Adveniat. Er hält ein Treffen mit den Eltern der 43 verschwundenen Studenten für möglich.

Papst Franziskus in Mexiko / © Alessandro di Meo (dpa)
Papst Franziskus in Mexiko / © Alessandro di Meo ( dpa )

domradio.de: Am Frieden müsse man jeden Tag arbeiten, sagt Franziskus. Er selbst wolle in Mexiko ein Werkzeug des Friedens sein. Was meint Papst Franziskus damit?

Reiner Wilhelm (Mexiko-Experte beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat): Er legt tatsächlich die Finger in die Wunden: Zum Beispiel als er im Nationalpalast vor dem Parlament und Parlamentsabgeordneten, vor den Politikern und vor der Regierung gesprochen hat. Da hat er kein Blatt vor den Mund genommen. Auch als er ein Privatgespräch mit den Bischöfen hatte, muss er wohl Tacheles geredet haben. Es wird sogar von einer Standpauke geredet, in der er gesagt hat: Mitbrüder, ihr sollt keine Fürsten sein, ihr sollt wirklich Zeugen des Herrn werden, ihr sollt Euch von den Herausforderungen ansprechen lassen und ihr sollt keine Angst haben, auch etwas gegen die Drogenkartelle zu tun.

domradio.de: Was ist denn aus Ihrer Sicht der allerwichtigste Punkt der Reise?

Wilhelm: Allein die Tatsache, dass der Papst diese Reise zum jetzigen Zeitpunkt tut und wohin er fährt, das ist die wichtigste Botschaft! Auch seine Reden, dass er ohne Angst und ohne sich den Mund verbieten zu lassen, das sagt, was er denkt und zwar gegen alle Widerstände - Widerstände der Politik - sie wollte eigentlich nicht, dass er kommt und als das nicht mehr abzuändern war, hat man versucht, am Reiseplan etwas zu verändern und die Menschen daran zu hindern, zu ihm zu kommen. Dass Franziskus sagt: So wie ihr lebt, ihr Bischöfe, die ihr eine Nähe zur Politik habt, ihr müsst Euch ändern, ihr müsst ganz einfach anders sein und ihr müsst das Evangelium wieder wahrnehmen.

domradio.de: Die Eltern der vor eineinhalb Jahren verschwunden Studenten, bei denen nahe liegt, dass sie getötet wurden und auch Polizei und lokale Politiker involviert waren, versuchen ja etwas zu erreichen und die Aufarbeitung voranzutreiben. Haben sie eine Hoffnung, dass der Papst ihnen da weiterhelfen kann?

Wilhelm: Offiziell von Seiten des Protokolls ist es nicht vorgesehen. Ich hatte auch das Gespräch mit den Koordinatoren dieser Reise, sie haben das kategorisch ausgeschlossen, aber dieser Papst lässt sich nicht den Mund verbieten. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durchaus am Rande, ohne großes Protokoll, zu einem Gespräch mit den Vertretern und Angehörigen der verschwundenen 43 jungen Leute kommt. Da gehe ich davon aus, dass man nichts unversucht lässt. Es gibt da einige Hinweise, dass das man es in Ciudad Juarez, einer der gefährlichsten Städten des Landes, versucht, am Rande der Messfeier oder am Rande der Gespräche ein Treffen mit dem Papst hinzubekommen.

domradio.de: Inwieweit unterstützt der Papst denn jetzt auch schon Menschen in diesen Situationen?

Wilhelm: Seit etwa drei Jahren merkt man natürlich sehr stark, dass sich die Personalpolitik immens verändert hat von Seiten des Vatikan. Die Bischofsernennungen nehmen sehr viel stärker Rücksicht auf Personen, auf Regionen und auf die Notwendigkeiten. Man schaut, zu welcher Region welcher Kandidat passt, möglicherweise nimmt man auch Kandidaten aus dieser Region. So ist es also nicht verwunderlich, dass Priester, die dort geboren sind, auch Bischöfe vor Ort werden. Man versetzt nicht einfach Bischöfe irgendwo aus dem Zentrum, also zum Beispiel aus Mexiko-Stadt, sondern man nimmt Kandidaten aus der Umgebung, die auch bereits in gewissen Themen drin sind und die die Probleme kennen und die in dieser Arbeit schon drin stecken.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR